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AutorenbildJörg Luibl

Breitseite #6: Sechs Spiele, sechs Kritiken

Herzlich willkommen zur sechsten Breitseite. Das ist ein Format, mit dem ich all das anvisieren möchte, was es vermutlich nicht in eine Rezension schafft. Das liegt manchmal an der Qualität, aber meist an der Zeit, weil ich die Themen stark auswählen muss. Die Breitseite ist eine Folge an Kurzkritiken zu Spielen, die ich mindestens eine, maximal drei bis vier Stunden gezockt habe. Das heißt, dass sie irgendwie in mein Beuteschema gepasst haben.

Ob ich mit diesen frühen Einschätzungen den Kern treffe, ist natürlich nicht sicher. Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel, aber in der Vergangenheit haben mich tatsächlich nur wenige Spiele nachträglich faszinieren können, die nicht schon in den ersten Stunden überzeugten. Um die Spannung ein wenig zu erhöhen und zumindest eine Gewichtung anzubieten, werde ich mich jeweils vom schwächsten bis zum stärksten Eindruck hochschießen. Diesmal dabei, hier noch in alphabetischer Reihenfolge: Advanced Wars I + 2 Reboot Camp, Age of Wonders 4, Terra Nil, The Last Worker, Tin Hearts, Star Wars: Jedi Survivor.

Okay, denn man tau und Feuer frei - hier kommt die sechste Breitseite.


The Last Worker...

...ist Ende März für PC sowie alle Konsolen erschienen und kostet knapp 30 Euro. Das Spiel hat mich früh neugierig gemacht. Da wäre der aktuelle Zeitbezug mit der Entlassungswelle in der Tech-Branche sowie den Ängsten aufgrund immer stärkerer KI-Programme. Und neben der Gesellschaftskritik, die sich nicht nur an Amazon & Co, sondern an den Kapitalismus im Allgemeinen richtet, wirkt das Comicdesign frisch, die Besetzung mit bekannten Schauspielern stark und das Spielprinzip unverbraucht. Es vereint Elemente einer Alltagssimulation mit jenen aus dem Bereich narrativer Shooter und bietet je nach eigener Handlung unterschiedliche Enden.

Aus der Egosicht erlebt man den Alltag eines einsamen menschlichen Arbeiters, der in einer labyrinthischen Megafabrik in einem Schwebeschlitten unterwegs ist, um sich mit einer Wumme Pakete zu schnappen und von A nach B zu transportieren. Begleitet wird er von einem sprechendem Bot, die englische Sprachausgabe ist übrigens sehr gut; es gibt lediglich deutsche Texte. Aber was zunächst toll klingt, spielt sich recht zäh, teilweise sogar nervig und konnte mich erzählerisch nicht so fesseln wie erwartet. Obwohl man die Ausbeutung des Menschen nachvollziehen und eine Art Big Brother der Tech-Generation erlebt, blieb es bei einer seltsamen Distanz zwischen mir und der Ästhetik des Spiels. Artdesign, Sprache und Humor treffen irgendwie nicht meinen Nerv.



Hinzu kommen eine teils träge Steuerung sowie einige deplatziert wirkende Interaktionen. Es wird ja nicht nur transportiert, sondern auch gerast, geschlichen oder gehackt, so dass eine gewisse Vielfalt entsteht, allerdings in meist simplen, aber manchmal auch frustrierenden Minispielen. Die eingestreuten Dialoge mit dem Firmenchef oder den Bots sorgen zudem für eine brüchige Erzählweise. Ich hab mir sagen lassen, dass die Story bis zum Finale nach sechs bis acht Stunden noch mit einigen Überraschungen versöhnen kann, aber so lange wollte ich nicht mehr durch diese Korridore schweben. Wesentlich besser gelang die Symbiose aus Spiel und Gesellschaftskritik übrigens dem Adventure Norco. The Last Worker hat mich hingegen ernüchtert.

Tin Hearts…


…ist für PC und Konsolen erschienen und kostet knapp 30 Euro. Auf diese Spielzeugsoldaten hab ich mich richtig gefreut, denn ich mag das Artdesign und spiele gerne Puzzle-Adventure wie The Room. Das britische Team von Rogue Sun, zu dem übrigens einige Ex-Entwickler von Fable gehören, katapultiert das Prinzip von Lemmings quasi in ein dreidimensionales Kinderzimmer voller Hindernisse.


Man öffnet aus der Egosicht eine Schatulle, aus der die kleinen Soldaten schnurstracks geradeaus marschieren, bis sie z.B. von einem Tisch stürzen und zerstört werden. Allerdings muss man eine bestimmte Anzahl von ihnen zu einem Tor führen, um die Mission zu meistern. Also gilt es, sie über hölzerne Bauklötze auf den richtigen Weg zu bringen. Dabei lässt sich auch die Umgebung gut nutzen, denn vorhandene Bücher lenken sie ab, Trommeln katapultieren sie in die Höhe und selbst Züge kann man einsetzen.

Dabei steigt mit immer mehr Interaktionen der Anspruch, so dass man immer öfter Einfallswinkel und Ausfallswinkel sowie alternative Routen bedenken muss. Und wenn man zu wenig Klötzchen einer Sorte zur Verfügung hat, muss man sich bereits platzierte schnappen, wenn die Soldaten gerade an ihnen vorbei gelaufen sind. Aber Hektik entsteht nie, denn man kann die Zeit anhalten, sie zurück- oder vorspulen und sogar alle potenziellen Laufwege anzeigen, die bei dieser oder jener Platzierung eines Hindernisses gewählt werden.


Und genau dieser komplett transparente Komfort sorgt zusammen mit der sympathischen, aber leider auch langatmig inszenierten Geschichte um einen Spielzeugbastler dafür, dass man angesichts der immer gleichen Zeitmanipulation sowie der dahin tröpfelnden Story einzuschlafen droht. Auch die Kulissen ähneln sich recht schnell. Mir fehlte auf Dauer etwas mehr Abwechslung und vielleicht mehr von der Spannung, die den Klassiker Lemmings auszeichnete. Unterm Strich ist das ein solides, charmant inszeniertes Puzzle-Abenteuer. Für (Groß-)Eltern und Kids ist es vielleicht das ideale Spiel für einen gemütlichen Nachmittag.


Advance Wars 1+ 2: Re-Boot Camp...

...ist für Switch erschienen und kostet 60 Euro. Dafür bekommt man einerseits zeitlos geniale Rundentaktik im Doppelpack. Und über zwanzig Jahre nach der Premiere macht das Verschieben von Soldaten und Panzern auf Switch sofort wieder Laune. Kaum fängt man an, kann man nicht mehr aufhören. Andererseits hat mich die kunterbunte Kulisse zunächst abgeschreckt, denn vor allem die 3D-Figuren erinnern mich zu sehr an die vielen austauschbaren Casual Games aus dem AppStore.

Unter der Oberfläche schlummert allerdings sehr viel Spieltiefe. Auf den Karten geht es rein taktisch ernsthaft zur Sache: Man muss clever verschieben, erobern und nachrüsten. Und sobald alle Möglichkeiten zur Verfügung stehen, kann man schonmal ein, zwei Stunden knobeln. Zwar kommt dieses Doppelpack nicht von Intelligent Systems, sondern von WayForward, aber die Kalifornier modernisieren die beiden GBA-Klassiker spielmechanisch sinnvoll. Dazu gehört neben einigen Komfortfunktionen sowie einem Karteneditor auch ein lokaler sowie ein Online-Versus-Modus.



Unterm Strich bin ich anno 2023 allerdings nicht mehr so euphorisch wie zu GBA-Zeiten. Ich hatte das Artdesign erwähnt, das zwar auch einige charmante Facetten zu bieten hat, aber nicht ganz mein Fall ist. Außerdem gibt es in der Rundentaktik mittlerweile viel mehr Auswahl, darunter ganz ähnliche Spiele wie Tiny Metal oder Wargroove, coole Experimente wie Kaiju Wars, epische Ansätze wie The Banner Saga oder neue Meisterwerke wie Into the Breach. Dieses Remake würde ich solide bis gut einschätzen, aber im Zweifel eher zum Original oder einer DS-Version greifen.

Age of Wonders 4 ist...

...für PC, PS5 und XBS erschienen und kostet knapp 60 Euro. Ich war sehr gespannt, wie es sich auf der PlayStation 5 anfühlt, denn hier geht es um komplexe 4X-Strategie inkl. einer Vielzahl an Statistiken, Menüs und Optionen. Ich hatte kürzlich das Remaster von Master of Magic in einer Breitseite besprochen, das 1994 bei Microprose erschien. Und genau diese Art von Spiel war über viele Jahre nur an einem PC mit Maus vernünftig spielbar. Aber nicht zuletzt Stellaris hat gezeigt, dass man strategische Benutzeroberflächen auf Konsolen durchaus zugänglich gestalten kann.

Und Age of Wonders 4 ist sogar noch besser darin, so dass man sein Fantasyreich wunderbar mit dem Gamepad managen kann. Das Bauen von Gebäuden, die Erforschung von Zaubern sowie die Erkundung der Karte mit Gefechten und Schätzen geht flüssig von der Hand. Man kann etwas hinein- und weit heraus in eine Reichsansicht zoomen. Natürlich braucht man angesichts der Vielzahl an Aktionen ein Weilchen, zumal man das duale Prinzip dieser 4X-Strategie mit ihrem Rollenspiel light erstmal verinnerlichen muss. Die Triumph Studios haben es von Master of Magic übernommen und schon anno 1999 auf ihre Art interpretiert.

Es vereint quasi Civilization mit seinem epischen Aufbau und Magic: The Gathering mit seinem Fokus auf vielfältige Zauber. Man ist also Held und Anführer gleichzeitig, es gibt diverse Schulen der Magie, Städtebau und Landgewinn über Provinzen, Diplomatie und Forschung. Und all das nicht nur in einer Ober-, sondern auch Unterwelt samt Dungeons, in die man Helden schickt, die man wie in einem Rollenspiel ausrüsten kann. Und diesmal liegt der Fokus auf Spezialisierung sowie Individualisierung.



Es gibt einen vielseitigen Editor für zig Völker, von Menschen über Dämonen bis hin zu Katzen- oder Froschwesen, die man hinsichtlich des Äußeren sowie ihrer Kultur und Fähigkeiten anpassen kann. Man kann sich in den Möglichkeiten regelrecht verlieren. Wer keine Lust auf das ausufernde Erschaffen hat, darf natürlich vorgefertigte Völker wählen. Spätestens wenn man sein Reich um mehrere Provinzen erweitert und mehrere Armee befehligt, weiß man, dass man da 4X-Strategie in XL vor sich hat.

Was die Kulisse sowie den Ansatz betrifft, fühle ich mich allerdings noch nicht so angezogen wie von Old World oder Stellaris, denn manchmal wirkt das Spiel visuell und inhaltlich etwas überfrachtet. Ich habe erst einige Stunden gespielt, wobei die KI noch recht passiv wirkte und die Rundentaktik im Gelände etwas zu gewöhnlich und zäh war, als dass ich die Gefechte wirklich selbst ausspielen wollte. Daher habe ich meist die Automatismen genutzt, die es auch für die Verwaltung der Städte gibt. Die Kampagne konnte mich erzählerisch nicht wirklich fesseln, daher hab ich auf zufallsgenerierten Karten gegen die KI gespielt. Man kann übrigens im Hotseat oder online mit mehreren Leuten spielen, allerdings (noch) nicht systemübergreifend. Bisher hinterlässt Age of Wonders 4 einen soliden bis guten Eindruck.

Terra Nil...

...ist Ende März für den PC erschienen und kostet knapp 20 Euro. Es geht um Aufbaustrategie mit dem Fokus auf ein funktionierendes Ökosystem samt Terraforming. Dabei startet man meist in einer Einöde und muss versuchen, den Boden, die Pflanzen, das Klima und die Tierwelt so zu beeinflussen, dass ein lebendiger Kreislauf entsteht. Das Besondere ist nicht nur, dass die südafrikanischen Entwickler einige authentische Wechselwirkungen wie z.B. das Wachstum nach einer Brandrodung simulieren, sondern dass man all das, was man auf der Erde errichtet, auch wieder entsorgen muss.

Zuerst muss man Klimaziele in Form bestimmter Luftfeuchtigkeit oder Temperaturen erreichen, um das Ökosystem stückweise zu entwickeln. Außerdem benötigt man selbst bei einem optimalen Kreislauf für z.B. tropisches Klima andere Voraussetzungen für jede Tierart, damit sie heimisch werden - also Ufer, Flüsse, Bäume oder Berge in einem bestimmten Verhältnis. Sehr schön ist auch, dass all das erläutert und dokumentiert wird, so dass man nebenbei etwas über die Zusammenhänge eines Ökosystems lernt.



Das hört sich vielleicht wissenschaftlich an, aber Terra Nil ist keine trockene Simulation, sondern auch ein ansehnliches Aufbauspiel mit schönen Landschaften. Es macht einfach Spaß, die aus dem Nichts wachsenden Wälder, Flüsse und Mangroven zu betrachten, während Vögel durch die Wolken fliegen. Das ist vielleicht kein Zen-Gaming wie ein Dorfromantik, aber Terra Nil kann mit seiner blühenden Idylle eine ähnlich entspannende Wirkung haben. Zwar hat das Missionsende mit der Wimmeldbildsuche nach Tieren sowie dem obligatorischen Aufräumen den Spaß irgendwann etwas gedämpft, aber Terra Nil hat mich als Aufbauspiel solide bis gut unterhalten.

Star Wars: Jedi Survivor...

...ist am 28. April für PC, PS5 und XBS erschienen. Die Story rund um den gejagten Jedi knüpft direkt an die Ereignisse des Vorgängers an. Aber Respawn Entertainment hat das Universum weiter geöffnet, mehr Planeten und Erkundungen integriert. Zunächst ist man alleine mit seinem Droiden BD-1 unterwegs, wird zwar im Kampf des Einstiegs ein wenig unterstützt, aber eine echte Crew muss man erstmal suchen. Ziel ist es, irgendwo eine Basis für die Rebellen zu finden, um das Imperium zu bekämpfen.

So tief bin ich zwar noch nicht in die Galaxie vorgedrungen, aber meine Neugier wurde auf dem zerklüfteten Planeten Koboh bereits geweckt. Cal Kestis spielt sich leichtfüßig und akrobatisch, seine Bewegungen sind elegant, die Umgebung lässt sich als Parcours nutzen und in null Komma nichts brutzelt man sich nach Wandlauf und Salto durch Sturmtruppen. Man wird aber auch in seine Schranken gewiesen, wenn man einfach nur drauflos lasert. Und vor allem in den Duellen muss man taktisch agieren.

Wer den Vorgänger gespielt hat, wird sich sofort heimisch fühlen und einige Verbesserungen erkennen. Mir gefällt das erweiterte Kampfsystem mit seinen Kontern ebenso wie der Einsatz der Macht, mit der man mal eben eine Wache von der Kante schubst oder tolle Kombinationen einleitet. Das Leveldesign sowie die Erkundung wirkt interessanter, zumal die Entwicklung der Fähigkeiten den Jedi nicht nur stärker macht, sondern wie in einem Metroidvania neue Wege öffnet. Wenn dieses Potenzial mit der Öffnung des Universums weiter ausgeschöpft wird, kann das ein sehr gutes Abenteuer werden.



So richtig gepackt hat mich die Story allerdings noch nicht und wenn es um die Produktionsqualität geht, erreicht man nicht das Niveau eines Horizon Forbidden West. Es ist natürlich sehr ärgerlich, dass ein Spiel wie Star Wars, das von seiner futuristischen Ästhetik lebt, nicht blitzsauber veröffentlicht wird. Die Entwickler haben sich für die Probleme mit der Bildrate und HDR entschuldigt und arbeiten weiter an Korrekturen. Auf der PS5 hatte ich im Einstieg zwar keine gravierenden Probleme und wurde gut unterhalten. Aber ich werde wohl erst später weiterspielen, wenn noch ein, zwei Patches da sind.

14 Comments


Jazzdude
Jazzdude
Aug 01

Sorry fürs rauskramen alter Artikel, aber ich bin gerade dabei alte Exklusivpodcasts durchzuhören und dabei auf die kurze Besprechung von Star Wars: Jedi Survivor gestolpert. Das Spiel ist tatsächlich definitiv einen weiteren Blick wert. Es ist in allen Punkten besser als der ohnehin schon gute, manchmal aber etwas zähe Vorgänger. Die Erkundung macht unglaublich viel Spaß dank toller Atmosphäre, schöner Grafik und ansprechender Levelarchitektur, die zwar nicht annähernd die Brillianz und Komplexität von Elden Ring erreicht, dafür aber mit vielen schönen Ideen aufwartet. "Sammelkram" ist tatsächlich recht motivierend, weil die kosmetischen Änderungen doch recht ansehnlich sind und es ist umso schöner (insbesondere wo es doch von EA gepublished ist), dass das Spiel trotz der Cosmetics ohne Mikrotransaktionen (die Inhalte der "Deluxe Edition"…


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Jannik
Jannik
May 11, 2023

Jedi Survivor ist auf jeden Fall auf der Wishlist, fand Fallen Order damals großartig. Sobald das Spiel fertig gepatched wurde, steige ich dann gerne ein. Für 80€ ein unfertiges Spiel kaufen, finde ich dann etwas schwierig... Bin aktuell noch mit Horzion Burning Shores beschäftigt, daher kann ich auch noch etwas warten :)

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godsinhisheaven
godsinhisheaven
May 10, 2023

Terra Nil ist ausgezeichnet! Schade ist eigentlich nur, dass das Spiel, nach den 8 Varianten des Ökosystems und den Herausforderungen und Tieren, quasi "durchgespielt" ist. Hervorragendes Erlebnis.

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Zarolgil
Zarolgil
May 10, 2023

Hi Jörg,

wie immer eine schöne Breitseite. Age of Wonders hört sich ausgesprochen interessant an. Stellaris auf der Konsole ist auch ein Liebling von mir.

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alex.strellen
May 09, 2023

Danke für deine Einschätzung von Age of Wonders 4. Ich war ja echt auf die ersten Meinungen zur Spielbarkeit auf der Konsole gespannt. Mit deiner Breitseite hast du mich jetzt wieder mehr Richtung Pro Playstation 5 gedrückt.

Terra Nil hört sich aber auch spannend an.

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