Was wäre die Fantasy, was wäre das Rollenspiel ohne den Barbaren? Vor allem in den 80er Jahren steht dieser Archetyp im Rampenlicht. Seine Popularität und sein Image verdankt er natürlich den Filmen mit Arnold Schwarzenegger: Im März 1982 feierte Conan the Barbarian seine Kinopremiere in Spanien, dem europäischen Drehort, bevor er im Mai in Nordamerika und im August in Deutschland anlief.
Zwei Jahre später folgte Conan the Destroyer und die Filme erreichten Kultstatus. Ich habe den klasse Soundtrack von Basil Poledouris übrigens sehr gerne in Pen&Paper-Sitzungen aufgelegt, weil er das Zwielichtige vor und Heroische im Kampf gut einfängt. Das Bild von halb nackten Muskelbergen, die wild und beidhändig kämpfen, wurde auch in der Comicreihe um den irischen Helden Slainé von Pat Mills seit 1983 sichtbar und prägt bis heute die Vorstellung des Barbaren in Rollenspielen.
Direkt inspiriert von den Filmen, und nur zwei Monate nach dem US-Kinostart, ergänzte Gary Gygax den Barbaren als Unterklasse der Fighter für Dungeons & Dragons in seinem Magazin Dragon #63, bevor er seit 1985 offiziell in AD&D dabei ist. Innerhalb dieser Pen&Paper-Welt tauchte er allerdings schon früher auf, und zwar im Magazin White Dwarf #4 von 1977: In der Kolumne Treasure Chest wird der Barbar von Brian Asbury sogar als eigene D&D-Klasse skizziert.
Auf jeden Fall brannte sich das Bild für Jahre ein, am Bildschirm und auf dem Tisch: Man denke nur an die Zweikämpfe und rollenden Köpfe im wunderbaren Death Sword von 1987 auf dem C64, an den Kampf-Plattformer Barbarian von Psygnosis von 1987 auf dem Amiga oder an das Cover von HeroQuest aus dem Jahr 1989, an den Blick und die Haltung des schwarzhaarigen Kriegers im Lendenschurz. Dieses Brettspiel war für mich übrigens der Einstieg in das Tabletop-Hobby mit Figuren und Grundlage für erste eigene Abenteuer als Spielleiter:
Das Cover wurde vom britischen Illustrator Les Edwards entworfen, der auch viele Motive für die Fighting Fantasy, Terry Pratchets Discworld, Shadowrun oder auch White Dwarf beitrug. Aber Edwards orientierte sich dabei an einem großen Meister aus den 60er Jahren.
Denn der stilbildende Charakter, der sich in Schwarzenegger manifestierte, beruhte auf den Conan-Zeichnungen des großartigen Künstlers Frank Frazetta (1928 - 2010). Er hat schon 1966 den Archetypen des Barbaren visualisiert, der der Sword and Sorcery, einem Subgenre der Fantasyliteratur, seine wilde Gestalt verlieh.
Es gab später in der Comicwelt nur einen vergleichbar markanten Barbaren, als Simon Bisley den oben erwähnten Sláine in eine neue Dimension zeichnete: In The Horned God von 1996 stellt er selbst Conan mit seinen Wellenkrämpfen und Kampforgien in den Schatten - ein bildgewaltiges Meisterwerk.
Allerdings wirkte der ursprüngliche Conan bei seinem Schöpfer Robert E. Howard (1906 - 1936) um einiges komplexer als im Film, war von antiker Mythologie und mittelalterlichen Sagen inspiriert. Sein Held trat 1932 in der Kurzgeschichte The Phoenix on the Sword im Pulp-Magazin Weird Tales auf und sollte in einer Reihe an Erzählungen weiter reifen.
Er war eher stark und katzengleich als ein reiner Kraftprotz. Er kämpfte nicht halbnackt, sondern trug am liebsten Kettenpanzer. Er war kein reiner Krieger, sondern auch Dieb, Piratenkapitän und Anführer, er war Heiler, Diplomat und Stratege. Er verfiel auch nicht in Rage wie ein germanischer Berserker oder der keltische Sláine, sondern bewahrte durchaus kühlen Kopf als gewiefter Taktiker. Er hatte keine Aversion gegen Magie, wie so oft in Rollenspielen, denn in seiner Welt gehörte sie dazu - und gegen sie war sein Schwert machtlos, so dass er trickreich sein musste.
In den Conan-Filmen sind zwar nicht viele dieser literarischen Charaktermerkmale erkennbar. Und der Barbar wurde sowohl in analogen Systemen von Midgard bis Rolemaster als auch digitalen Spielen von Diablo bis Baldur's Gate eher der Leinwand entsprechend nachgebildet. Aber interessanterweise sind einige Merkmale der Buchvorlage von Howard auch in Dungeons & Dragons spürbar, denn schon Gygax verband Fighter und Thief in der Subklasse, hochstufige Helden konnten Gefährten um sich scharen und Gift heilen. Vermutlich könnte man noch tiefer buddeln, um Ähnlichkeiten zwischen Buch- und Spiel-Barbar zu finden.
Und letztlich darf man nicht vergessen, dass der antike Begriff wörtlich übersetzt "Stammler" bedeutet und abwertend gemeint war. In der Sprache der Griechen und Römer wurden so jene angeblich unzivilisierten Wilden aus dem Norden genannt, die in den Gebieten der Kelten, Germanen und Skythen hausten.
Nimmt man die bildhaften Darstellungen der Antike sowie die Beschreibungen der ersten Überfälle durch Kimbern und Teutonen hinzu, dann sind der Conan des Frank Frazetta und der Typ auf dem Cover von HeroQuest gar nicht so weit weg von der alten historischen Vorstellung mit ihren Klischees. Auf jeden Fall fließen in diesem Archetypen mythologische, literarische, filmische und spielerische Traditionen auf interessante Art zusammen.
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Schöne und aufschlussreiche Zusammenfassung. Ich war auch ein großer Conan-Fan, zumal die Filme einiges an RPG-Flair verströmten. Viel mehr jetzt und im Nachhinein als direkt damals. Lag wahrscheinlich an meinem Alter. ;)
Der Dantes Verlag hat übrigens Comics aus der Reihe Slaine in seinem Vertrieb. Da gibt es auch eine Leseprobe auf der Seite vom Verlag. Mir hat die deutsche Übersetzung nicht so gefallen aber die Zeichnungen sind ganz gut. Wer sich also für Comics mit Barbaren interessiert ...
Viel zu lange her, seit ich Conan der Barbar geschaut habe, höchste Zeit, das nachzuholen. Ich mag diese 80er männlich dominierte Brachial-Trash-Fantasy sehr, auch wenn sie aus heutiger Sicht überhaupt nicht mehr dem Zeitgeist entspricht. Wobei, Red Sonja nicht vergessen werden darf, eine Frau, die den männerdominierten Zirkus etwas aufmischte. Sie ist jedoch eine Amazone - ist das ein weiblicher Barbar, also eine Barbarin? Oder sind Amazonen schon wieder eine andere Gattung? Ich frage mich auch, was ist der Unterschied zwischen Barbaren und Berserkern?
So oder so, ein toller Bericht, der schon wieder Lust macht, mal in die Literatur von Robert E. Howard einzutauchen. Hast du da evtl. einen Tipp, mit welchem Buch man am besten einsteigt?
Gelungener Einstieg in die Themenwelt rund um Rollenspiele und schöne Aufbereitung dieses Archetyps.
"Death Sword" - Eines meiner Lieblingsspiele des Brotkastens und heute lese ich zum ersten Mal diesen Namen. Ich, wie wohl die meisten hierzulande, kennen es als Barbarien. Kurz Google befragt: In den Staaten wurde es unter Death Sword vertrieben, inkl. anderem Cover und entsprechenden textlichen Änderungen im Spiel selbst. Auch der Nachfolger (Barbarien II) erschien unter anderem Namen (Axe of Rage). Der Nachfolger war übrigens kein 1vs1 Klopper mehr, sondern ein früher Dungeon Crawler, meine damalige Grafikreferenz und ein wirklich wunderbares Spiel zu jener Zeit.
Mich würde ja schon interessieren, was es damit auf sich hatte. Ich meine, den Aufwand betreibt man ja nicht aus Jux und…
Mensch ist das alles lange her, Conan den Barbaren hatte ich in einem Alter geschaut wo der Film noch nicht für meine Augen bestimmt war, deswegen ist er mir sicherlich auch so gut in Erinnerung geblieben.
Arnie am Mühlenrad, das Stelldichein mit der Hexe, die Menschensuppe, die Enthauptung von Thulsa Doom, alles Szenen die mir bis heute im Kopf geblieben sind.
Hero Quest hab ich damals geliebt, wahrscheinlich weil das Spiel mehr in meinem Kopf stattfand als auf dem Spielbrett. Die detaillierten Figuren und das Design des Spielbretts sowie der Verpackung haben mich damals total fasziniert.
Die zwei Erlebnisse lassen mich wahrscheinlich deshalb auch heute noch bei diversen RPGs immer zum plumpen Haudrauf greifen, einer muss den Job ja übernehmen…