ACTION ESPIONAGE. Von Hideo Kojima. Für PlayStation. Man möge einem alten Mann mit zu viel unerfüllten Schleichfantasien und einem gerade verdauten Deus-Ex-Tod verzeihen, aber ich hatte tatsächlich eine Gänsehaut, als dieses Spiel ohne Namen (Update: es heißt Physint) in der State of Play angekündigt wurde. Plötzlich kamen all die wunderbaren Erinnerungen an Metal Gear wieder hoch, all die längst begrabenen (und anno dazumal mit Micha wehmütig diskutierten) Hoffnungen, dass der Meister sich irgendwann wieder seiner alten Kunst zuwendet.
Selbst Hermen Hulst war die Erleichterung und Freude am Ende der Show anzusehen, als er diese Kooperation verkündete, die Comeback und Vision zugleich ist, denn es war 1998 eine der größten Pionierleistungen für die erste PlayStation. Zwar beginnt die Produktion erst nach Death Stranding 2, das ja 2025 für PS5 erscheint, aber dieses Stealth-Abenteuer wird eine langfristige Strahlkraft bis zur PlayStation 6 haben, weitaus stärker als jedes neue Online-Universum mit Live Service.
Und genau diese positiven Aussichten kann Sony in einem Wettbewerb gut gebrauchen, der in den folgenden zehn Jahren wesentlich schwieriger wird - nicht nur, weil Microsoft aus allen gekauften Rohren und anvisierten Richtungen feuert. Doch für das wirtschaftspolitisch mächtigere Redmond produziert Kojima anscheinend nur eine cineastische Fingerübung namens OD mit dem Schauspieler Udo Kier, für Sony hingegen das große neue Schleichen mit der Tradition von Metal Gear.
Kein Wunder also, dass sich der Head of PlayStation endlich wie ein Kind zu freuen schien, als er an einen ebenso strahlenden Hideo Kojima übergab, der in der überraschenden Rückkehr zur Espionage Action nicht weniger als den Höhepunkt seines Schaffens zelebrieren und (natürlich, mal wieder!) die Grenzen von Film und Spiel überwinden will. Und im Gegensatz zu einem Peter Molyneux, der in seiner späten Schaffenszeit viel Großes prophezeite, aber meist Kleines lieferte, hat Kojima bis heute kreativ abgeliefert.
Doch die State of Play begann nicht mit einem Paukenschlag. Als Hermen Hulst sie einleitete, und die ersten Worte des Jahres an Fans der Sonykonsole richtete, standen ihm der Stress und der Druck der letzten Monate ins Gesicht geschrieben. Er trug nicht die in der Branche übliche Showmaske, vielleicht kann und will er seinen europäischen Ernst auch gar nicht ablegen, jedenfalls lächelte und strahlte er nicht.
Er presste zwar sehr professionell ebenso positive wie abgedroschene Phrasen von "incredible" bis "groundbreaking gameplay" heraus, zählte selbstbewusst die jüngsten Errungenschaften von PlayStation Plus bis Portal auf, aber die Altlasten von Jim Ryan sowie jüngsten Probleme mit Bungie, Live Service und die schwierige Zukunftsplanung schienen in seinem Hinterkopf zu rumoren. Und wer weiß, wie viele Meetings hinter Naughty Dogs lobenswertem (!) Rückzug von The Last of Us Online in ihm stecken?
Und dann startete er die Show ausgerechnet mit dem futuristischen Helldivers 2, einem der ersten Spiele der mittlerweile halb begrabenen Live-Service-Strategie. Zwar distanzieren sich die Entwickler des Koop-Shooters von Pay-to-win, aber es gibt Schatzkisten sowie eine Währung samt In-Game-Shop. Hinsichtlich Genre, Szenario und Struktur spricht man ab 8. Februar all jene an, die auch Destiny & Co mögen. Vielleicht ist der Kampf gegen insektoide Aliens und Roboter sogar cool? Ben wird da mal reinspielen, ich winke erstmal ab.
Es folgte die Enthüllung von Stellar Blade, das 2019 noch Project Eve hieß und schon am 26. April exklusiv für PS5 erscheinen wird. Soll das eine Art Final Bayonetta Fantasy sein? Obwohl ich Science Fiction sehr mag, wollte in den sechs Minuten keinerlei Vorfreude aufkommen, was nicht an der Unreal Engine 4 lag. Auch die Roboter waren cool. Aber ich kann diese Hochglanz-Sexualisierung weiblicher Heldinnen einfach nicht ab, die in High Heels und engen Lederanzügen gegen Bestien kämpfen, in ebenso steriler wie austauschbarer Ästhetik, mit wogenden Brüsten und schlimm kitschiger Musik. Puh, gar nicht mein Fall!
Es folgten ein unspektakuläres Sonic X Shadow Generations, das im Herbst erscheint, eine PS5-Portierung der chinesischen Urban-Fantasy-Action Zenless Zone Zero, die als Free-to-play in Arbeit ist, und ein vollkommen überdrehtes Foamstars, das am 6. Februar so etwas wie ein Splatoon für PlayStation werden soll, in dem man mit buntem Schaum in Teams um sich schießt. Nein, danke.
Nach den absehbaren Umsetzungen von Dave the Diver (rockt!) im April sowie seiner Godzilla-Erweiterung im Mai gab es noch eine weitere für 2024, und zwar jene von V Rising. Das ist ein isometrisches Action-Rollenspiel rund um einen Vampir mit ein wenig Castlevania-Flair, das im Mai 2022 auf dem PC in den Early Access ging und sich bis Januar 2023 satte drei Millionen mal verkaufte. Ein Fantasy-Geheimtipp in offener Welt? Ich hab es noch nicht gespielt, aber werde mal reinzocken.
Was ich von Silent Hill: The Short Message halten soll, weiß ich noch nicht. Auf jeden Fall wird Konami den Psycho-Horror rund um eine junge Frau, die vor Monstern durch Flure gejagt wird, bald als kostenlosen Download für PS5 anbieten:
Was ich von Silent Hill 2 halte, weiß ich hingegen: Dieses erzählerische und dramaturgische Meisterwerk aus dem Jahr 2001 ist für mich mit Abstand das beste Horrorspiel aller Zeiten und gehört in jede ewige Bestenliste. Als der Nebel des Remakes für PS5 aufwallte, als die melancholische Musik sowie das Rauschen aus dem Radio zu hören war und die grotesk verformten Kreaturen heran staksten, flackerten all die Erinnerungen an James und Mary wieder durch meinen Kopf. Meine Güte, dieses Abenteuer hat bis heute emotionale Narben hinterlassen! Ich bin sehr gespannt, aber auch leicht besorgt, wie sich dieser Alptraum anfühlt, nachdem Bloober Team und Konami ihn in der Unreal Engine 5 modernisiert haben - einen Termin gab es allerdings nicht. Apropos Horror: Auch Until Dawn wird dieses Jahr für PC und PS5 in erweiterter Form umgesetzt.
Judas weckt mit seinem BioShock-Stil durchaus mein Interesse, aber da fehlt mir noch der erzählerische Bezug zum bunten Chaos:
Die beiden für 2024 präsentierten VR-Abenteuer Metro Awakening und Legendary Tales ignoriere ich hingegen, weil ich mir in absehbarer Zeit keine Hardware dafür zulegen werden. Der Zug ist für mich erstmal abgefahren, ich bleibe beim Zocken im alten Stil, so lange es da noch so viel zu entdecken gibt.
Bald gibt es sogar ein Doppelpack: Auf Dragon's Dogma II bin ich ebenso neugierig wie auf Rise of the Ronin, die beide gleichzeitig am 22. März erscheinen. Was soll man da bloß als Erstes spielen? Ich tendiere zu Capcoms Fantasy, denn natürlich steht da diese eine Frage im Raum: Kann das Abenteuer in offener Welt die Anziehungskraft eines Elden Ring erreichen?
Capcom geht ja eigene Wege in der Spielmechanik, was richtig gut sein kann, wie schon der erste Teil anno 2012 auf PS3 und 360 demonstrierte. Diesmal soll alles inkl. Tag-und-Nachtwechsel sowie plötzlicher Ereignisse wesentlich lebendiger wirken. Inspiriert wurden Director Hideaki Itsuno und sein Team übrigens von Spielmechaniken und Systemen aus Grand Theft Auto V. Tja, mal abwarten.
Und Rise of the Ronin? Ich will ehrlich sein: Nach dem enttäuschenden Soulslike Wo Long: Fallen Dynasty (mehr dazu in der Breitseite#5) muss mich Team Ninja erstmal überzeugen, dass sie nicht nur Kampfsysteme, sondern auch Welten erschaffen können - vor allem welche mit so klarem historischen Bezug. Es geht ja um Samurai des 19. Jahrhunderts, Katanas treffen auf Schusswaffen, man soll sich zwischen eher traditionellen und westlichen Fraktionen entscheiden. Das klingt durchaus nach interessanter Politik und Rollenspiel. Wenn ich mir die Spielszenen mit dem Greifhaken sowie dem Gleitschirm ansehe, wirkt das wie eine Mischung aus Sekiro und Assassin's Creed. Ich bin trotzdem etwas skeptisch, denn auch wenn da kein Elden Ring direkter Konkurrent ist, ist da ein Spiel namens Ghost of Tsushima, das ich zumindest ästhetisch eine Klasse höher einschätze.
Last but not least ist da eine große Freude auf Death Stranding 2 im nächsten Jahr. Für mich gehört der Vorgänger zu den besten Spielen aller Zeiten, weil er eine erzählerische und künstlerische Vision in einem außergewöhnlichen Abenteuer verwirklichte. Das war endlich mal ein mutiger Schritt in eine ganz andere Richtung der Science Fiction, in der sich ein Hauch von Kafka und Todesmythen trafen, in bis heute unerreicht markanter Landschaft. Und das wird in all seiner bizarr-düsteren Futuristik mit schwarzen Flügelkatzen und gruseligen Kragenhänden (?), mit aufgeschnittenen Kokons und sprechenden Marionetten, mit Raumschiffen aus Babyrachen und einem irrwitzigen Joker-Verschnitt, der mit einer Gitarre kämpft, in den fernen Todeszonen Mexikos fortgesetzt - denn weit im Süden, hinter der Zugbrücke der automatisierten Zivilisation, werden die Pakete noch nicht von Bots ausgeliefert. Ich hab richtig Bock auf dieses Abenteuer mit Sam und seiner sprechenden Marionette.
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Danke für die schöne und übersichtliche Zusammenfassung, ich hatte die State of Play verpasst.
Ich habe mich ja damals schon ziemlich durch Death Stranding kämpfen müssen und habe oft geflucht. Aber was einem da für eine Geschichte um die Ohren und Augen geworfen wurde, war für mich unvergleichlich und habe ich so noch nie erlebt. So freue ich mich sehr auf den 2. Teil, befürchte aber auch ein bisschen, dass ich wieder stundenlang herumstapfen und Kisten schleppen muss.
Stellar Blade finde ich vom Artdesign und der Welt, die da erschaffen wurde, gar nicht mal so uninteressant. Wenn das Gameplay rockt und eine spannende Geschichte erzählt wird, könnte ich tatsächlich mal einen Blick wagen. Sollte es jedoch zu ähnlich wie ein…
Schöne Zusammenfassung!
Da fragst Du noch - NATÜRLICH Dragons Dogma 2 😉
Spaß beiseite, ich freu mich wahnsinnig drauf und denke, der zweite Teil wird mich auch wieder Wochen/Monate beschäftigen. Der erste ein absoluter Überraschungshit, der mich sogar mehrere Durchgänge motivierte. Das hat Seltenheitscharakter.
Einen Tag und Nachtwechsel gab es doch schon im ersten Teil und sogar auf einem Niveau, dass durchaus beängstigend war. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, wenn ich an die dunkle mit allerlei Geräuschen…
Zum Silent Hill 2 Remake, ganz ehrlich. Ich glaube das wird nichts. Bin auch ein riesen Fan des Originals und habe ganz wunderbare Erinnerungen an das Spiel.
Aber der neue Trailer macht auf mich gar keinen guten Eindruck. Die Lauf- und Kampfanimationen wirken doch sehr hakelig und weit davon entfernt, was z. B. Naughty Dog und Co. abliefern. Das dürfte mir leider schon wieder den Spaß an der Sache nehmen.
Ein Showcase wie die State of Play ist immer schön, wenn Trailer von Spielen gezeigt werden. Aber das Gesamtkonzept sagt viel über die strategische Ausrichtung aus.
Ich würde sagen, dass bei dieser State of Play jedes Spiel, das gezeigt wird, auch funktionieren wird. Und sie werden für die Fans der jeweiligen Genres ein Grund zum Feiern sein. Eigentlich fand ich die Spiele an sich eher nebensächlich.
Bemerkenswert fand ich vor allem die indirekte Ankündigung des ersten PS6-Spiels, aber auch die doch höhere Dichte an Exklusivtiteln, die nicht mit der Exklusivität beworben wurden.
Trotz des anfangs etwas angespannten Verhaltens von Hermen Hulst (was ja auch gewollt war, denn es ist ja nicht live und durchgeskriptet), ist das doch ein sehr selbstbewusstes…
Ok, also falls jemand Fragen zu Death Stranding 2 hat, ich hab alles verstanden... Was für ein wahnsinniger Trailer. Ehrlich gesagt hatte ich nicht auf dem Schirm, dass ein Nachfolger erscheinen würde. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob es einen geben sollte. DS könnte als Gemälde in der isländischen Landschaft einfach stehen bleiben, damit man es sich aus der Ferne immer mal wieder kurz anschauen könnte. Noch mal spielen wiederum? IDKY (I don't know yet). Technisch fand ich das Gezeigte atemberaubend.
Silent Hill 2 Remake macht mich erstmal gar nicht an, weil ich das Original auch nie gespielt habe. Das Remake macht mir einen hölzernen Eindruck.
Ronin wirkt auf mich wie Ubisoft-Ninja Action: Nein danke. Und Dragons Dogma…