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Rezension: Astro Bot (PS5)

Mein Roboter schraubt sich mit einer wirbelnden Blume in die Höhe, landet auf einem im Beat tanzenden Riesenpilz und fliegt per Jetpack weiter. Neben mir sitzen drei offensichtlich entzückte Ladys, denn sie grinsen und wippen im Takt. Noch kreischen sie nicht, aber wenn sie "Meine Güte, ist das putzig!" oder "Ach wie cool ist das denn!" sagen, erreicht die Tonlage beim Spielen von Astro Bot bereits euphorische Höhen.




Strahlende Gesichter


Jetzt könnte man meinen, sie sehen zum ersten Mal ein Jump'n Run in dritter Dimension. Oder sie haben die letzten Jahre unter einem Stein ohne Konsole gelebt. Dann würde ich jetzt altväterlich den Kopf schütteln, die Stirn runzeln und mit einer kritischen Analyse über leicht zu begeisternde Fangirls aufwarten.


Aber erstens sind das über mind. zwei Jahrzehnte von Super Mario in all seiner akrobatischen Klasse und Bonbonbuntheit konditionierte Spielerinnen. Und die sind auch abseits von Nintendos Welten durch Yooka Laylee, Super Lucky Tale oder A Hat in Time gehüpft. Soll heißen: Die kennen sich mit Plattformern aus.


Tanzende Pilze und Stachelkäfer.

Und zweitens sitze ich ja selbst wie ein strahlendes Kind mittendrin, das ein digitales Wunderland erkundet. Okay, schon Astro’s Playroom war ein charmantes Jump’n Run zum Start der PlayStation 5. Aber was Team Asobi hier vier Jahre später inszeniert, beamt die Roboter einfach in eine andere Spielspaß-Galaxie.


Die Rettung der PlayStation 5


Das ist natürlich eine bewusste Anspielung auf das wunderbare Super Mario von 2007 für Wii, zumal es dort auch um eine Galaxie mit Planeten ging - für manche war es sogar das beste Videospiel aller Zeiten. In Astro Bot muss man zwar nicht die Welt vor Bowser retten, aber immerhin die PS5 samt robotischer Besatzung.


Ein Monster hat nämlich das Konsolen-Mutterschiff zerstört, das wie ein monolithisches Wrack in der Einöde wartet. Aber es besteht Hoffnung, denn ein tapferer Astro schnappt sich nach dem Absturz ein Raumschiff und jagt durch die Galaxie und landet auf Planeten, um die komplette Crew zu finden und die PS5 wieder flott zu machen.


Etwas mit Azteken und Ruinen.

Das kann sie gerade in diesem Jahr genauso gut gebrauchen wie Sony. Denn es gab auch auf spielepolitischer Ebene so einige Bruchlandungen rund um Helldivers 2, die Zitat-Blamage mit Neil Druckmann, die Entlassungen bei Bungie und kürzlich die Einstellung des Live-Service-Games Concord nach nur zwei Wochen.


Nach all den Jahren exklusiver Highlights erschien zudem kaum etwas Spektakuläres aus eigenem Hause. Trotzdem muss man weiter wachsen und die neue Führung fordert nicht nur Ergebnisse, sondern neue Marken, die liefern. Da fragt man sich, inwiefern sich die Abteilungen einig sind, denn so einiges widerspricht sich. Fest steht: Das ein verflixtes Jahr für Sony.


Dabei feiert die erste PlayStation bald ihr 30-jähriges Jubiläum: Am 3. Dezember 1994 wurde die Konsole in Japan veröffentlicht. Und sie veränderte bekanntlich die komplette Videospielwelt. So viel wie ihr so genannter Vater Ken Kutaragi kann Astro vermutlich nicht bewirken. Aber sein Abenteuer ist ebenfalls bemerkenswert. Und vielleicht ein Impuls für die strategische Ausrichtung des Konzerns, denn ohne Geduld wird es nicht gehen.


In einer Liga mit Nintendo


Astro Bot ist nämlich ein Beispiel dafür, dass sich das Vertrauen in kreative Leute lohnt. Was anno 2020 noch eine Fingerübung war, die man in drei Stunden meistern konnte, hat sich zu einer epischen Odyssee über 15 Stunden entwickelt. Das war natürlich die zweite Anspielung auf das ebenfalls ausgezeichnete Switch-Abenteuer von 2017, auch wenn das noch weit umfangreicher war.


Aber das soll verdeutlich, von welcher Qualitätssteigerung und welcher Liga wir hier sprechen. Und die hätte ich Sony nach Knack in diesem Genre nicht mehr zugetraut. Dass ich mit einem Lächeln im Gesicht im windschnittigen Dual-Speeder über ein azur blaues Meer düse und mit meiner Familie im Takt mit der Musik wippe, erklärt natürlich wenig.


Autsch, hier wird es hektisch!

Trotzdem hat der fröhliche Soundtrack mit seinen markanten Beats und Vocals einen großen Anteil daran, dass man schon nach Press Start richtig gute Laune hat. Meine Güte, was ist das für ein Ohrwurm! Hinzu kommt das klasse Artdesign von Figuren und Schauplätzen. Man fühlt sich wie in einem Bonbon-Wunderland, in dem man zwischen Flamingos und Wasserfällen, Kugelfischen und Rutschen in allen Farbtönen versinken kann.


Erinnert ihr euch an das Gefühl, wenn man als Kind das erste Mal in so ein kunterbuntes Bällebad gesprungen ist? Hier erlebt man das ähnlich, nur zwischen puderweißen Wolken und schwebenden Inseln, pink blühenden Bäumen und mehrstöckigen Aquarien mit Riesenfischen. Selbst wenn es auf Fabrik- oder Eisplaneten mal kälter zugeht, wird man immer wieder von fantasievollen Gebäuden und Kreaturen überrascht, bis hin zum winzig kleinen Roboterkrebs.


Erstmal mit Quietsche-Ente XXL entspannen.

Noch relevanter als Musik und Kulisse ist natürlich der Spielfluss. Und der entsteht bei präziser Steuerung zwischen kunterbuntem Gewusel, während man knuffigen Monstern ausweicht, Münzen sammelt und Geheimnisse entdeckt. Diese Abläufe kennt man aus vielen Plattformern, aber die Art und Weise, wie sie harmonieren, wie Bewegungen vom Sprung über das Gleiten, vom Schlittschuh laufen bis zum Schlittern ineinander übergehen, erinnert an die Meisterwerke des Genres.


Man kann sich wirbelnd in die Tiefe graben, weit in die Höhe katapultieren, aber man muss auch mal vorsichtig balancieren oder hangeln. Manchmal muss man rutschen, Bälle werfen, Sprühdosen benutzen oder riesige Reißverschlüsse öffnen, aus denen sich ein Schwall an Monstern ergießt oder ein Zugang öffnet.


Auf gehts, zum nächsten Level!

Dabei kann man jederzeit über die Laserdüsen etwas schweben, nicht endlos, sondern dosiert. Deshalb fühlt sich Astro Bot in der karibisch bunten Kulisse fast so an, als würden Mario Sunshine und Ratchet & Clank in einem Crossover verschmelzen. Man schlägt ja auch mit aufgeladenem Wirbel zu, wirft Bomben, lasert im Sprung lästige Stachelviecher weg und muss fix ausweichen, wenn auf engstem Raum eine Horde wilder Monster auf einen zustürmt.


Die goldene Mitte


Aber auch wenn der Boden wegbricht, man in letzter Sekunde per Jetpack flieht oder nur mit dem richtigen Timing ein verstecktes Areal erreicht, ist das kein so genannter Präzisonsplattformer, die man vor allem in den 2D-Kulissen von Celeste bis BZZZT kennt. Sprich: Das Frustpotenzial und die Wiederholungen halten sich in Grenzen. Aber das ist auch kein Kinderspiel, denn es gibt neben leichten und normalen auch schwere Level, die Kenner fordern.


Und die Herausforderungen wechseln sich je nach Planet so gut ab, dass man immer wieder im Kleinen überrascht wird oder sich akrobatisch umstellen muss, wenn man wie eine Kugel in Marble Madness umher rollt, wie eine Rakete durch die Gegend jagt oder langsam wie in einem Geisterhaus mit einer Lampe über Abgründe läuft, in denen sich im Lichtschein nur für kurze Zeit transparente Brücken bilden. Astro Bot trifft genau diese goldene Mitte zwischen Ruhe und Tempo, zwischen Anspruch und Flow.


Man kann Geheimgänge ertasten.

All das beamt mich zurück in eine Zeit, in der diese Art von Spaß tatsächlich noch Blockbuster-Qualitäten hatte. Man darf ja nicht vergessen, dass 3D-Plattformer in den letzten Jahren eher Mangelware waren. Und wenn sie zurückkehrten, wie Sonic in offener Welt, dann dachte man schon, dass ihre Ära einfach vorbei ist.


Aber in Astro Bot kommt noch etwas Frisches und Einzigartiges hinzu, das neben Kampf und Akrobatik vor allem die Erkundung aufwertet. Und zwar eine sinnliche Facette: Kaum lande ich mit Astro am Strand, kann ich den Sand in der Hand spüren. Und das Gefühl ändert sich, je nachdem ob ich auf Matsch oder Metall, über Gras oder Wasser unterwegs bin. Dieses haptische Feedback kennt man zwar aus dem Vorgänger, aber diesmal wird es häufiger und vielfältiger aktiviert.


Wenn ich z.B. das Jetpack starte, klappern die Schubdüsen an den Fingern, und zwar parallel zu ihren sichtbaren Bewegungen. Das mögen Kleinigkeiten sein, doch sie sorgen nicht nur für Reize in der Hand oder Töne im Ohr, sondern sind spielerisch relevant: Man kann Wände oder Böden abtasten und anhand der von rau zu glatt wechselnden Oberfläche oder eines wechselnden Tons, einen Stein verschieben und so einen Geheimgang finden.


Die Typen kenn ich doch!

Auch körperliche Manöver wie das Springen, Stoßen oder Angreifen fühlen sich unterschiedlich an. Man hat die Engine ja komplett überarbeitet, um mehr physikalische Auswirkungen anzubieten. Davon profitiert auch das Kampfsystem, das den Roboter u.a. mit dehnbaren Armen fast wie Mr. Gadget gegen einen Riesenkraken austeilen lässt. Auch in den tollen Bosskämpfen mit ihren wechselnden Perspektiven hatte ich das Gefühl, das meine Reaktionsfähigkeit in genau der richtigen Dosis gefordert wird.


Vom Friedhof zum Astrodorf


Wenn man auf einem Planeten einige der über 200 Roboter befreit, die teilweise versteckt irgendwo um Hilfe rufen, kann man sie in der Basis abliefern. Dort landen sie nicht einfach in einer Galerie, sondern bevölkern so langsam die zunächst leer wirkende Gegend. Wenn man Prominenz wie Solid Snake oder Kratos findet, kann man sie dort aktivieren und teils coole Animationen sehen.


Besonders gefreut hab ich mich über den Bloodborne-Roboter mit seinem Multifunktionsschwert. Aber sie können noch mehr, denn ähnlich wie in Pikmin kann man dann sie ab einer bestimmten Zahl dazu bringen, Hindernisse zu beseitigen oder Apparate zu errichten. So langsam wird es also um die abgestürzte PS5 lebendiger und wohnlicher, zumal sich in der Ferne weitere Welten abzeichnen. Apropos: Es gibt neben den offensichtlichen Welten so einige versteckte Levels, die man freischalten kann, indem man einfach mit dem Raumschiff zwischen den Planeten umher düst, sobald man Planeten gemeistert hat.


Sympathische Bannerträger


Ich muss das Spielehistorische an dieser Stelle nochmal betonen. Ich freue mich nicht nur als Fan dieses Genres über Astro Bot, sondern auch angesichts der negativen Entwicklung der letzten Jahre, mit all den Entlassungen. Denn in dieser Reise der Roboter steckt eine tolle Geschichte, die kreativen Menschen vielleicht Mut machen kann.


Als Sony im Februar 2024 das London Studio schloss und weltweit Angestellten kündigte, betraf das ja auch die letzten beiden japanischen Studios. Und neben Polyphony Digital, die Gran Turismo entwickeln, gehörte dazu Team Asobi, das 2012 noch als Teil des renommierten Japan Studios in Tokio gegründet wurde.


Hurra, Bloodborne ist da!

Letzteres wurde schon 2021 aufgelöst und übrig blieben lediglich die Macher von Astro‘s Playroom. Aber ihre kleinen Roboter haben mit dazu beigetragen, dass ihr nach dem japanischen „Asobu” („Spielen”) benanntes Team weitermachen konnte. Und das, obwohl sich der Erfolg gar nicht in Verkäufen, sondern in guten Kritiken von Fans und Presse zeigte.


Es gab viel Lob für das Spieldesign, das unter Leitung von Nicolas Doucet entstanden ist. Der Franzose, der schon Producer für EyeToy und The Play

room war, hat die Marke im Jahr 2018 mit Astro Bot Rescue Mission für PlayStation VR ins Leben gerufen. Doch erst auf der PS5 wurden die robotischen Maskottchen so richtig populär und avancierten zu Hoffnungsträgern. Und damit füllt dieses Astro Bot auch eine firmenhistorische Lücke als Maskottchen.


In der Geschichte der Konsolen waren Hüpfhelden wie Mario und Sonic stets sympathische Bannerträger ihrer Hardware. Selbst wenn Segas Igel die Dreamcast nicht retten konnte und im Sprint der Begeisterung etwas nachgelassen hat, trägt er bis heute diese Identität in sich. Kaum jagt er durch goldene Ringe, kaum hört man seine Jingles, sieht man sich wieder als Teenager vor dem Mega Drive.


Bonbonwelt mit Eiscreme.


FAZIT


Ihr habt es sicher schon herausgelesen bzw. -gehört: Astro Bot ist eines der sehr wenigen Spiele, und neben der Erweiterung von Elden Ring bisher das einzige Spiel in diesem Jahr, das ich als ausgezeichnet einstufe. Es gibt aktuell einfach keinen besseren 3D-Plattformer und Team Asobi katapultiert sich damit in die Meisterliga von Nintendo. Nicht etwa als Nachahmer, sondern als Pionier mit eigenen Ideen, denn die kreative Integration des DualSense-Controllers wertet das Erlebnis spürbar auf. Schade ist zwar, dass es keinen kooperativen Modus gibt, aber ansonsten finde ich partout keine Kontrapunkte. Mit diesem Jump'n Run sind die Astros nicht nur Sonys sympathische Bannerträger, sondern hoffentlich auch kleine Hoffnungsträger innerhalb des Konzerns. Sie verdeutlichen den Wert von kreativen Mitarbeitern, die mit Vertrauen und Geduld ihrer Arbeit nachgehen dürfen, um derart faszinierende Spiele zu erschaffen. Astro Bot versprüht so eine fröhliche Unbeschwertheit mit Ohrwurmgarantie, dass man es vermutlich auch als Stress-Therapie empfehlen kann. Ich wünsche euch und euren Familien jedenfalls viel Spaß in dieser robotisch-bunten Galaxie!


(Bilder: Astro Bot, Sony, PS5, eigene Aufnahmen)

12 Comments


Flex
Flex
vor 5 Tagen

Habe 5 Stunden auf der Uhr und bin maximal verliebt und das, obwohl man mich sonst mit Jump n run spielen jagen kann. Bisher kein Mario spiel beendet. Aber Astro Bots ist da anders, es motiviert von Beginn an und legt ne Kreativität an den Tag, die wirklich selten ist! Und es ist irgendwie „erwachsener“ als die neuen Mario Titel ohne das kindliche zu verlieren. Schwer zu beschreiben, man muss es gespielt haben :)


10/10

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Xris
Xris
vor 5 Tagen

Tja, Respekt! An Marios Thron hat schon seit einen Ewigkeit niemand mehr gesägt. Ich hatte die Hoffnung schon aufgeben. Bitte lass es erfolgreich sein… früher gabs nicht nur Mario im AAA Bereich.

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Danke, dass du in deiner Rezension auch auf den Spielfluss eingegangen. Ich habe Plattfromer trotz einfallsreicher Ideen abgebrochen, weil sie ihre Vielzahl an Spielmomenten nicht kohärent aneinanderreihen konnten. Schön zu lesen, dass Astro Bot es besser machen soll. Jetzt habe ich noch mehr Lust auf das Spiel bekommen. Bald wird es installiert.

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Ja, der Spielfluss ist hier tatsächlich herausragend.;)

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Sven
Sven
Sep 09

Klingt super. Du warst ja schon vom Erstling so angetan. Das war zwar bei der PS5 mitenthalten, ich hatte es auch mal installiert, aber nie gespielt. Ich glaube gern, dass es kreativ, innovativ, stimmig und superspaßig ist, spricht mich atmosphärisch nur leider nicht an. Wünsche allen viel Spaß damit!

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IEP
IEP
Sep 09

Ich freue mich schon drauf es zu spielen. Ich habe mir ein wenig was dazu auf Twitch angesehen und bin jetzt schon überzeugt, dass hier ein ganz besonderer Plattformer kreiert wurde, bei dem sich auch Nintendo was abgucken kann.


Dein Fazit bestätigt meine Sicht darauf noch :D

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