Als ich vor zwei Jahren das Cover von Flintlock in der Edge sah, war ich sofort neugierig: Eine uniformierte Lady sitzt lässig neben einer dämonischen Katze auf der Couch, ihre Hand ruht auf einer altertümlichen Pistole. Und spätestens als ich erfuhr, dass das ein Abenteuer von A44 Games wird, die 2018 das stimmungsvolle Ashen gemacht hatten, wollte ich es spielen. Das Team aus Neuseeland präsentiert zwar erneut ein Soulslike, aber das ist wesentlich leichter, farbenfroher, geführter - und leider auch weniger unterhaltsam.
Zwischen Axthieben und Pulverdampf
Auf den ersten Blick folgt dieses Action-Rollenspiel mit seinem Szenario den Pfaden der Science-Fantasy, in der sich Technik und Magie auf vielerlei Art kreuzen können. Dieses Subgenre der Phantastik kennt man aus Literatur und Film von Star Wars über Shadowrun bis Dune. Auch in Videospielen taucht es immer wieder auf, man denke an Final Fantasy, Elex oder kürzlich Warhammer 40k: Rogue Trader - mehr dazu in dieser Erkundung.
Nur gibt es in der Welt von Flintlock keine Laser, Roboter oder Raumschiffe. Sie erinnert technologisch und modisch an das 18. oder frühe 19. Jahrhundert. Schwarzpulver ist kostbar und treibt die Munition der Namen gebenden Steinschlosswaffen und Kanonen an. Trotzdem hat sich die Axt als Waffe etabliert, weil sie in den Schützengräben hilfreich ist. Sie symbolisiert auch den altertümlichen Zustand einer Welt, in der die Macht des Übernatürlichen spürbar wird.
Denn es geht um eine okkulte Bedrohung, in der sich die Pforten zur Unterwelt öffnen, so dass Untote und Dämonen das Land fluten. Man hat es sogar mit Göttern zu tun, die wie mythische Bosse des alten Orients auftreten. In dieser Komposition erinnert das Szenario ein wenig an die Roman-Trilogie The Powder Mage von Brian McClellan, für die er 2014 mit dem Morningstar Award ausgezeichnet wurde; auf Deutsch erschien der erste Band Blutschwur 2018 bei Cross Cult.
Die neuseeländischen Entwickler haben ihr Spiel ja nach diesem recht jungen Subgenre der so genannten Flintlock- oder Powder-Fantasy benannt, zu dem auch Autoren wie Naomi Novik (Temeraire), Adrian Tchaikovsky (Guns of the Danw) oder Django Wexler (The Thousand Names) gehören. Manchmal geht es dort um alternative Geschichte plus Magie und Drachen. Aber dieses Spiel entführt in eine eigene Welt namens Kian, in der das Napoleonische, Altorientalische oder Nordafrikanische ohne historische Bezüge rein ästhetisch ineinander fließt.
Ernüchterung im Schützengraben
Allerdings fühlt man sich im Einstieg fast wie in einem konventionellen Ersten Weltkrieg. Man kämpft sich mit der Axt schwingenden Soldatin Nor durch Schützengräben, erlernt ihre schnellen Bewegungen und Manöver, die präzise von der Hand gehen. Zwischen Pulverdampf, Verwundeten und Barrikaden entsteht jedoch keine bedrückende Spannung oder gar ein Schrecken des Krieges, sondern eher eine Routine des Ablaufens, ohne dass man sich nach ein, zwei Abstechern noch groß umsehen möchte. Nicht nur weil man spürt, dass hier kaum Gefahr droht, sondern weil die anderen Soldaten manchmal wie Statisten herum stehen und so manches wie Requisite wirkt.
Zwar kann Flintlock später deutlich bessere Akzente in der offenen Landschaft setzen, die zwischen Bergen und Tälern so einige tolle Aussichten und alternative Routen bietet. Aber dieses frühe Gefühl von Oberfläche und Führung statt Tiefe und Freiheit bleibt bestehen. Dazu tragen auch die ersten Dialoge mit den Vorgesetzten und Kameraden von Enki bei, darunter der ältere Sergeant Baz. Das was an militärischem Armee-Alltag und Gesprächen dargestellt wird, wirkt doch recht überhastet und holzschnittartig.
Obwohl der Welt der Untergang droht, folgt man ohne besondere Anspannung dem nicht ausblendbaren Questmarker, liest recht plump platzierte sowie inhaltlich belanglose Notizen und erlebt auf dem normalen der drei Schwierigkeitsgrade ein Soulslike light. Mit Angriff, Block, Parade, Ausweichen und Zielfixierung schickt man in bekannter, aber deutlich leichterer Manier die Feinde in die Hölle. Nor ist sehr flink, kann springen und schnell wegrollen, um Distanz aufzubauen und zu schießen.
Sie ist unterwegs zu einem Portal, das sie schließen will. Aber diese toughe Heldin, die leider genauso oberflächlich charakterisiert wird wie ihre Bekannten, macht alles noch schlimmer, indem im Zuge eines ersten Bosskampfes gegen eine geflügelte Kreatur aus Versehen das Falsche in Luft gejagt wird. Die Barriere zur Welt der Morgendämmerung fällt und die übernatürliche Invasion der Götter nimmt damit so richtig Fahrt auf. Wie will man diesen apokalyptischen Schlamassel bloß wieder in Ordnung bringen?
Enki der Fuchsgott
Tja, plötzlich trifft Nor auf Enki. Und dieser Dämonenfuchs ist tatsächlich das erste Highlight, denn sein Kreaturendesign ist überaus gelungen und er wird klasse anmiert, wenn er später davon huscht oder sich putzt. Seine Vorderpfoten erinnern an einen Waschbären, seine Hinterpfoten an Krähenfüße und mit seinen großen Ohren sieht er aus wie ein Fenneck, der Wüstenfuchs aus Nordafrika. Enki bedeutet im Sumerischen übrigens "Herr der Erde" und genauso wurde im alten Mesopotamien auch ein Weisheitsgott genannt.
Und was macht Elitesoldatin Nor? Sie haut erstmal drauf, denn das könnte ja ein Feind sein, der für den Tod all ihrer Kameraden verantwortlich ist - aber diese Wut nimmt man ihr in der Situation nicht ab. Immerhin erfährt sie, dass Enki kein Diener der Unterwelt, sondern selbst ein Gott ist. Und der will dieser forschen Lady sowie der bedrohten Welt helfen. Als das endlich geklärt ist, sind die beiden im Duett unterwegs. Ich habe darauf gehofft, dass damit sowohl Spielwelt als auch Story an Anziehungskraft gewinnen, so ähnlich wie es Kratos und Atreus in God of War: Ragnarök gelungen ist, den Spieler immer tiefer in die mythologischen Zusammenhänge zu führen.
Zwar kann Enki sprechen, aber erstens passt seine nur im englischen Originalton verfügbare Stimme einfach nicht gut zu diesem Wesen: Er wird vom britischen Schauspieler Alistair Petrie gesprochen, den man u.a. aus der TV-Serie Sex Education oder The Terror kennt, und der in A Plague Tale: Requiem als Graf Victor zu hören war, was sehr gelungen war. Aber er kann das Rätselhafte und Mythische einfach nicht transportieren, so dass dieses Wesen zu gewöhnlich klingt. Zweitens sind die Gespräche zwischen Enki und Nor zwar manchmal kurzweilig, aber sie wecken zu selten erzählerische Neugier.
Kämpfender Sidekick
Hinzu kommt, dass Enki recht früh seine Kommentare zu banalen Spielsituationen wiederholt und gefühlt dutzende Male fragt, ob man etwas Interessantes gefunden hat. Nicht etwa wenn Nor eine Schatzkiste öffnet, sondern wenn sie einen schnöden Stapel Holz oder etwas Eisen einsammelt, das man mal wieder zum Verbessern seiner Waffen einsetzen kann - was ich hier als komplett überflüssig empfinde, weil man ohnehin die meiste Zeit überlegen ist. Soll heißen: Das angeblich Göttliche dieses Wesens verfliegt und er wird sehr schnell zu einem kämpfenden Sidekick.
Immerhin kann er sich wie ein Djinn in Luft bzw. arkane Partikel auflösen, so dass er nicht bei all den Kletterausflügen irgendwo festhängt. Manchmal nervt das allerdings, wenn man selber kraxelt, es nicht auf Anhieb schafft und er sich ständig mit einem Geräusch umher beamt. Überhaupt ist das Klettern mit Nor zwar ein Pluspunkt für die Bewegungsfreiheit, aber so richtig dynamisch und elegant ist es nicht.
Als quasi durch die Luft teleportierendes Wesen kann er Feinde fast wie eine Art göttliche Drohne schwächen, sobald Nor den Befehl dazu gibt. Ähnlich wie ihre Munition ist sein Mana allerdings begrenzt und muss sich erst wieder aufladen. Im Kampf ist Enki fast so hilfreich wie Atreus: Er kann auf Knopfdruck den markierten Feind attackieren, bis dessen Haltung bricht, ihn wie ein Greifvogel in die Luft ziehen, so dass er wehrlos zappelt - und das ist ein so starkes Manöver, dass man kaum etwas anderes machen muss.
Dreigeteilte Charakterentwicklung
Allerdings muss man dafür die Erfahrungspunkte in Enkis magischen Pfad investieren. Er befindet sich im Raster der Charakterentwicklung in der Mitte und weil dort jede Fähigkeit als Dreieck symbolisiert wird, schaltet man irgendwann angrenzende aktive oder passive Fähigkeiten des Nahkampfes und der Schusswaffen frei. Ich habe mich auf Magie konzentriert, weil die anderen doch recht konventionell in ihren Auswirkungen sind. Wenn es im Kampf mit Schusswaffen kracht, fühlt sich das manchmal so dynamisch an wie im Souls-Shooter Remnant, aber Flintlock erreicht nicht dessen Wucht und Klasse in den Gefechten.
Trotzdem machen sie durchaus Laune, zumal die Zeitfenster für eine Riposte weit aufstehen, so dass man Haltungen bricht, gepanzerte Feinde entblößt und Finisher nie weit weg sind. Man kann heranstürmende Feinde oder jene, die einen rot markierten Spezialangriff vorbereiten, quasi aus der Hüfte mit der Pistole unterbrechen oder mal eben Sprengfässer detonieren lassen. Sobald man die Flinte erhält, kann man sich als Scharfschütze aus der Distanz beweisen, um lästige Wachen auf Anhöhen zu beseitigen. Erfolgreiche Kopftreffer werden samt Blutfontäne in Zeitlupe gezeigt, die sich allerdings bald zu sehr ähneln. Man hat jedoch nur ein paar Patronen und muss beim Nachladen ein kleines Minispiel à la Gears of War meistern, um mit dem nächsten Schuss mehr Schaden anzurichten.
Das ist allerdings nicht wirklich nötig, denn der Schwierigkeitsgrad liegt auf der normalen von drei Stufen deutlich unter jenem aktueller Soulslikes, zumal die voll aufgeladenen Spezialangriffe von Enki so verheerend sind, dass man ganze Gruppen aufmischen kann. Es ist nicht so, dass man gar nicht gefordert wird, aber man entwickelt viel schneller eine Routine, zumal die Gegner sehr vorhersehbar bis einfältig agieren. Falls man mal stirbt, kann man seine bis dahin erhaltenen Ruf- bzw. Erfahrungspunkte übrigens am Ort seines Todes einsammeln.
Apropos: Das System der prozentual wachsenden Erfahrung, dass man also für erfolgreiche Aktionen von Kampf bis Akrobatik immer mehr bekommt, und sich diese quasi vor seinem Tod auf Knopfdruck auszahlen lassen kann, empfinde ich ebenfalls als überflüssigen Fremdkörper, der mich überhaupt nicht motiviert hat, noch mehr Kombos oder Aktionen an einem Stück anzuhäufen wie etwa in Devil May Cry. Wozu auch? Die vorhin erwähnte Leichtigkeit trägt immerhin mit dazu bei, dass man recht schnell vorwärts kommt. Und wenn sich die Karte zusammen mit der Landschaft öffnet, wird man durchaus neugierig.
Mehr Spielplatz als Spielwelt
Zumal es immer öfter in die Lüfte geht: Nor kann in jeder Region an Schädelschaltern magische Risse öffnen, sich in die Höhe katapultieren oder wie eine Flipperkugel von Riss zu Riss schießen, wobei sie auch Doppel- und Seitwärtsprünge einsetzen kann. Allerdings wird der vermutete Flow manchmal durch sehr zickige Zielabfragen unnötig unterbrochen. Trotzdem entsteht in der Vertikalen eine angenehm dynamische Akrobatik, mit der man weite Strecken überwinden, aber auch bisher unzugängliche Bereiche und versteckte Areale erkunden kann. Das dient der Übersicht und kann taktische Vorteile verschaffen, da Nor als Scharfschützin tödlich ist.
Aber Leichtigkeit und Luftkletterhaken sorgen dafür, dass diese Welt immer mehr wie ein Spielplatz anmutet. Natürlich kann man hier seinen Spaß haben, aber ich hatte das Gefühl, mit einer Supersoldatin samt Sidekick in einem Themenpark unterwegs zu sein. Mir fehlte die Sogkraft eines epischen Abenteuers. Das liegt daran, dass man die konstruierte Kulisse, das Statische und Kopierte sowie offensichtlich Platzierte, wie etwa die grau markierten Positionen für Sprengfässer oder eben die Auslöser für Risse, meist aus der Ferne erkennt. Das mag seltsam klingen, denn natürlich wird eine Welt für den Spieler erbaut, doch die Kunst besteht in der Verschleierung.
Und die beherrscht Flintlock trotz seines im Ansatz kreativen Artdesigns leider nicht. Das überrascht mich, denn Ashen war vor vier Jahren zwar rein technisch sowie grafisch weit weniger ansehnlich, es hatte so einige spröde Momente, aber dafür war es rätselhafter sowie anziehender. Hier entsteht aufgrund der Benutzeroberfläche und Hinweise eher das Gefühl von geführtem Abenteuer-Tourismus, bei dem Statisten des Reisebüros auch mal schnell das Bühnenbild wechseln. So wirkte es auf mich jedenfalls, wenn man gerade ein belagertes Dorf befreite und die Nachricht bekam, dass sich alle Bewohner im Kaffeehaus verschanzt hätten, das man nun aufsuchen soll.
Aber schon in diesem Augenblick war um einen herum plötzlich alles wieder so voll mit Leuten wie in Friedenszeiten. Und weil das so an The Witcher 3 erinnert, schaut man sich um und erlebt fast dieselbe Statik wie in den Schützengräben des Einstiegs. Ja, die Leute gehen ihrem Handwerk nach und sagen auch mal was, aber das ist im Vergleich zu der viele Jahre alten Welt des Hexers oder einem Dragon's Dogma 2 einfach nur eine bunte Fassade. Ich bin übrigens trotzdem ins Kaffeehaus gegangen, denn da bekommt man Nebenquests und trifft endlich weitere skurrile Gestalt.
Denn die Wirtin erinnert an die mehrarmige Hindugöttin Kali, die Frau von Shiva. Hier blitzt das Potenzial des Abenteuers wieder auf ästhetischer Ebene auf, indem es exotisch überrascht. Aber kaum befreit man weitere Siedlungen, stellt sich auch hier Routine ein. Lediglich die Aussicht auf die Bosskämpfe und andere Areale sorgte dann noch für eine gewisse Restmotivation. Also öffnet man die Karte, markiert Zielorte, rüstet Waffen auf, schaltet Fähigkeiten frei, sprengt Felswände, aktiviert Risse über Schädel, erhöht sein Leben dauerhaft an Statuen und kann über 20 bis 25 Stunden Haupt- und Nebenquests erledigen. Ich hab mich irgendwann dabei ertappt, wie ich mehr Zeit in diesem spielinternen Brettspiel verbrachte, einer netten Variante von Mühle, für das man auch weitere Figuren mit anderen Zugoptionen finden kann.
FAZIT
Tja, aus einer wirklich schönen Aussicht auf eine coole Lady samt dämonischer Katze wurde schließlich ein recht langweiliges Abenteuer. Flintlock: Siege of Dawn ist nicht wirklich schlecht, denn man kämpft dynamisch sowie taktisch, bewegt sich akrobatisch und schnell, während sich die Karte immer mehr öffnet und auch in der Vertikalen einige tolle Aussichten zwischen Berg und Tal dabei sind. Hinzu kommt die interessante Ästhetik, in der sich das Napoleonische und Altorientalische, Uniformen und Magie, Schusswaffen und Götter treffen. Aber hier will einfach kein episches Abenteuerflair entstehen. Und das Potenzial der Beziehung zwischen Heldin und Fuchsgott wird leider nicht ausgeschöpft. Man fühlt sich wie auf einem konstruierten Spielplatz, der viel TÜV-gesicherte Kletter- und Kampfoberflächen bietet, aber kaum erzählerische Tiefe oder gar mythische Anziehungskraft, obwohl das Szenario mit seinen Göttern fast danach schreit. Dass das neuseeländische Team nach Ashen ein leichter zugängliches Soulslike machen wollte, ist ja vollkommen okay. Aber eine glaubwürdige Rollenspielwelt braucht mehr lebendigen Alltag, mehr Verschleierung und Rätselhaftigkeit. Deshalb hat mich Flintlock über seine 20 Stunden ernüchtert. Es plätscherte hinsichtlich der Spielroutine ähnlich wie Banishers: Ghosts of New Eden in solider Gewöhnlichkeit vor sich hin, ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen. (Bilder: Flintlock: Siege of Dawn, PS5, eigene Aufnahmen)
Ich finde das ganze Design irgendwie....muss die Worte suchen....unrund? Unharmonisch? Nervös? Erinnert mich leicht an Greedfall, welches ich auch noch nachholen muss.
In dem Fall zehre ich weiter am Elden Gold Nugget.
Schade drum, vor allem weil ich Ashen in guter Erinnerung habe. Hat durchaus Neugier entfacht, aber der Backlog an vielversprechenden Titeln der letzten Jahre, macht es mir zeitlich quasi unmöglich mich mit "nur" solidem Mittelmaß zu beschäftigen.
Das ist schade. Bei Enki habe ich gehofft, dass da mehr von den Sumerern kommt. Muss ja nicht gleich was mit den Me oder Innana oder Aschera zu tun haben, aber wenigstens so ein bisschen halt.
Mich schreckt da das HUD bzw. UI schon etwas ab. Wie bei vielen anderen Spielen ist das so steril und flach. Hat mehr was wie ein "stylische" Web 2.0 Homepage.
Und dabei war der Reveal-Trailer noch so vielversprechend.