Als Metroid Prime im November 2002 für den GameCube erschien, konnte die Reihe bereits auf eine lange Tradition zurückblicken: 1986 debütierte Samus Aran auf dem NES im Kampf gegen Mother Brain, 1991 folgte die Fortsetzung auf dem Game Boy und 1994 hatte sie ihren größten Auftritt auf dem SNES: In Super Metroid war sie einfach großartig. Doch dann verschwand die stille Heldin für acht Jahre von der Bildfläche. Und plötzlich sollte ein unbekanntes texanisches Studio aus den 2D-Wurzeln des Klassikers ein dreidimensionales Abenteuer entwickeln. Nintendo kaufte die Retro Studios sogar wenige Monate vor der Veröffentlichung. Die Investition sollte sich auszahlen: Als Spieler war ich damals begeistert, als Kritiker vergab ich eine der höchsten Wertungen. Metroid Prime war nicht weniger als ein neuer Meilenstein im Bereich der Action-Adventures und verkaufte sich besser als jedes andere Spiel der Reihe. Wie ist dieses besondere Spiel entstanden und warum kann es als Remaster heute noch begeistern?
Heroische Ausgangslage
Als die Titelmelodie auf der Switch das erste Mal ertönte, bekam ich sofort eine Gänsehaut. Die von Synthesizern, Flöten und akustischen Verzerrungen getragene Musik passt einfach wunderbar zu dieser Science-Fiction. Denn sie fängt das Zwielichtige und Gefährliche ebenso ein wie das Schöne und Erhabene. In den Klängen von Kenji Yamamoto steckt eine Botschaft: Diese Welt droht unterzugehen, es gibt bereits Risse und du wirst kämpfen müssen, aber es besteht noch Hoffnung. Ich mag diese ebenso simple wie zeitlose heroische Ausgangslage, die ja viele Videospiele kennzeichnet.
Als ich dann mit der gepanzerten Kopgfeldjägerin erste Hinweise scannte und auf einer Fregatte auf tote oder schwer verwundete Weltraumpiraten stieß, die sich mit ihren rücksichtslosen Experimenten anscheinend mutierte Feinde schufen, fühlte ich mich schon wie Zuhause. Ich hatte umgehend wieder Lust auf diese knapp 15 Stunden action- und erkundungsreiche Science-Fiction. Damals kritisierte ich in der Rezension die fehlenden erzählerischen Hintergründe des Einstiegs, dass man also in ein Abenteuer katapultiert wird, ohne zu wissen, wer man ist und was es mit der Welt auf sich hat.
Aber das stört mich beim erneuten Spielen überhaupt nicht. Im Gegenteil: Der Einstieg ist klasse, denn er steigert sich von böser Vorahnung hin zu einem ersten Höhepunkt, von ruhiger Erkundung zu einem panischen Sturm. Nach der fulminanten Flucht von der Fregatte lande ich in einer gründen Idylle auf dem Planeten Tallon IV. Auch hier beginnt alles in einer angenehmen, aber trügerischen Stille. Ich las erneut die verzweifelten Nachrichten der weisen Chozo, die eine Seuche aus seinem Inneren nicht aufhalten konnten und starben. Ein Meteorit injizierte das radioaktive Phazon, das die Weltraumpiraten hier ernteten, ohne zu ahnen, welche Folgen die Ausbeutung nach sich ziehen würde.
Die alte Anziehungskraft
Im Gegensatz zu damals sehe ich das heute sofort im Kontext unseres Planeten. Von der drohenden globalen Katastrophe erfährt man etwas in den Ruinen und Inschriften der Chozo, die in weiser Voraussicht auch Waffen und Ausrüstung für eine prophezeite Kriegerin aus dem All auf Tallon IV versteckt haben. Tja, und dann war es um mich geschehen: Nur ein, zwei Stunden später wollte ich wieder jeden Winkel erkunden und jedes Geheimnis finden, obwohl ich doch schonmal dort war. Als ich 2002 die Rezension schrieb, konnte sich dieses Spiel auf dem GameCube auf besondere Art in meine Erinnerungen brennen, auch wenn der zweite Teil nochmal eins draufsetzte. Und erst drei Jahre später sollte ein Spiel namens Shadow of the Colossus auf der PlayStation 2 erscheinen, das mich noch stärker beeindrucken konnte.
Weil die Erinnerungen an Details aus Metroid Prime nach all den Jahren recht vage waren, freute ich mich während des Spielens sogar, wenn ich anscheinend etwas vergessen hatte und jetzt wieder neu danach suchen konnte. Auch hier spielen die Soundeffekte beim Erhalt eines Upgrades übrigens eine motivierende Rolle, denn ähnlich wie beim Öffnen einer Schatzkiste in The Legend of Zelda krönen sie diesen Moment mit einer aufmunternden Melodie - Nintendos Einfluss auf dieses Abenteuer ist quasi hörbar. Aber auch in anderen, in sich komplett gegensätzlichen Szenen, wenn ich etwa als Morphball ganz vorsichtig wie in Marble Madness voranrollte, oder wenn ich in voller Action ein 5er-Pack an Raketen in ein riesiges Maul jagte, wurde mir bewusst, wie sehr ich diesen Rhythmus zwischen Ruhe und Sturm vermisst habe. Und wie wohltuend diese Art von Spieldesign im Zeitalter offener Welten samt Crafting, Ausrüstungsmanagement und Statistiken doch ist. Es tat richtig gut, dieses auf das Wesentliche fokussierte Abenteuer zu spielen: Waffe finden, Waffe anlegen, fertig. Keine Modenschau, kein Gequatsche, keine Erfahrungspunkte, kein Level-up.
Metroid Prime statt Hogwarts oder Wo Long
Ich habe ja kürzlich Hogwarts Legacy ausprobiert, irrte für einige Stunden an der hübsch inszenierten Oberfläche mit tollen Ideen, ohne dass sie mich wirklich packen oder gar verzaubern konnte. Danach konnten mich zwar Forspoken und Wo Long: Dynasty als Soulslike zumindest im Kampf unterhalzten, aber auch dort blieb eine Distanz zur Heldin oder faden Spielwelt. Letzteres wollte mich erfolglos in die chinesische Geschichte entführen. Und um etwas zu übertreiben: Da war quasi nichts, wofür es sich über das Beweisen der eigenen Parade-Skills hinaus zu spielen lohnte. Nach Dark Souls 3, Bloodborne, Sekiro und Elden Ring ist mein Anspruch an die Welt hinter dem Boss gewachsen.
Natürlich sind die genannten Action-Rollenspiele keine Action-Adventure. Aber diese Genre teilen Aspekte wie Erkundung, Kampf und bis zu einem gewissen Grad auch Akrobatik. Außerdem bauen sie eine Welt samt Story, wollen den Spieler neugierig machen und eine Geschichte erzählen. Forspoken, Hogwarts Legacy und Wo Long scheitern natürlich aus ganz unterschiedlichen Gründen bei mir. Um wirklich abzutauchen und Spaß zu haben, hab ich dann lieber Metroid Prime auf der Switch gestartet. Also ein über zwanzig Jahre altes Spieldesign auf der technischen schwächeren Konsole - und das demonstriert, ganz unabhängig von der technischen Modernisierung, eine faszinierende zeitlose Qualität.
Japanisch-amerikanische Produktion
Aber bevor ich weiter auf diese Neuauflage eingehe, möchte ich auf die Phase der Entstehung dieses Meilensteins zurückblicken. Denn dass er sich auch hinsichtlich von Kleinigkeiten, wie der erwähnten Melodie, so harmonisch in Nintendos erfolgreiche Spielewelten einreihen konnte, kommt nicht von ungefähr. Und vielleicht fragen sich einige, warum die Japaner damals so lange mit einem Nachfolger zu Super Metroid (1994) gewartet haben - immerhin spielte Samus Aran auf dem N64 überhaupt keine Rolle. Sie hat also eine ganze Konsolengeneration übersprungen.
Zum einen war die Reihe in Amerika deutlich beliebter als in Japan, wo sie weit entfernt vom Stellenwert eines Zelda oder Mario rangierte. Nintendo wusste, dass es sich lohnen könnte, die Serie weiter auf amerikanische Vorlieben zu fokussieren. Aber zum anderen fehlten wohl intern die Ideen, wie genau das aussehen könnte. Außerdem trauten sich dann extern angefragte Entwickler nicht so richtig an eine 3D-Umsetzung des Kultklassikers. Die dritte Dimension befand sich mit Konsolenspielen wie Mario64 gerade erst in den Kinderschuhen und eine Transformation war ebenso aufwändig wie riskant.
Als das N64 dann schon zwei Jahre erhältlich war, begann im Jahr 1998 mit der Gründung der Retro Studios die Zusammenarbeit zwischen Nintendos Abteilung für Forschung und Entwicklung (R&D1) und den Amerikanern - allerdings ohne dass Metroid Prime direkt das Ziel war. Denn es wurden zunächst fünf Spiele für den GameCube konzipiert, darunter auch Racer und Sport. Nintendos Shigeru Miyamoto gefiel jedoch nur ein futuristischer Shooter aus Schultersicht namens Metaforce. Der futuristische Prototyp weckte in ihm Erinnerungen an die Metroid-Welt, so dass er die Integration in die Reihe riskieren wollte.
Eine schwere Geburt
Allerdings mit einigen Geburtsschmerzen und internen Konflikten, denn der Zelda-Schöpfer krempelte das tausendseitige Konzept samt der Schwerpunkte um. Er hatte für den GameCube u.a. die intuitivere Egosicht durchgesetzt, obwohl nicht nur die Amerikaner die Schulterperspektive bevorzugten. Ihre Alpha-Version von Metaforce war damit hinfällig; auch Charaktere und Figurendesigns wurden angepasst. Schließlich wurden alle anderen Projekte der Texaner gestrichen und etwa 35 Leute konzentrierten sich über zweieinhalb Jahre täglich auf Metroid Prime. Sie standen in ständigem Austausch mit Miyamoto, der kurz vor Releae noch die finale Steuerungsbelegung änderte.
Auch sonst hatte Nintendo das Sagen, es war ja auch ihre Heldin und ihre Marke. Trotz des verständlichen Unmuts war diese Führung letztlich fruchtbar: Denn die grandiose Musik des Spiels, für die die Texaner lange Zeit kein Konzept hatten, und die notfalls einfach wegbleiben sollte, wurde schließlich von Kenji Yamamoto komponiert. Er hat auch Remixes seiner Tracks aus Super Metroid eingespielt und nahezu jede Szene akustisch belegt. Man wollte die Fans der Reihe trotz des technologischen Neuanfangs zumindest erzählerisch und musikalisch wie in alten Zeiten abholen. Das war sehr wichtig, denn als Metroid Prime für den GameCube angekündigt wurde, gab es aufgrund der 3D-Kulisse eher Skepsis als Jubel. Viele hatten sich einfach nur eine weitere Fortsetzung in 2D gewünscht.
Hinsichtlich der Story knüpfte Nintendo ja direkt an Super Metroid vom SNES an: Dort zerstörte man die Basis der Weltraumpiraten auf dem Planeten Zebes, aber einige Fregatten konnten entkommen. Auf einer davon in der Nähe des Planeten Tallon IV wurde schließlich der drachenähnliche Kommandant Ridley wiederbelebt, der Erzfeind von Samus, auf den man auch in Metroid Prime trifft - sein Figurendesign mutet heutzutage vielleicht etwas zu spielzeugartig an, aber mit seinen Cyberzusätzen ist dieser Meta-Ridley später ein gefährlicher Feind.
Miyamoto hatte jedenfalls den richtigen Riecher. Die Retro Studios landeten unter Lead Designer Mark Pacini mit diesem ersten Spiel gleichen einen Hit, der sich 2,8 Millionen mal verkaufte und erst viel später von Metroid Dread (2021) überholt werden sollte. Aber Pacini, der auch an Metroid Prime 2 und 3 federführend beteiligt war, verließ das Studio aufgrund des zu starken Einfluss von Nintendo im Jahr 2008. In diesem Kontext der schweren Geburt muss man wohl auch die Nachwehen um die Credits einordnen, denn einige ehemalige Entwickler der Retro Studios wurden nicht im Abspann von Metroid Prime Remastered erwähnt. Diese Unart ist leider innerhalb der Videospielwelt recht etabliert, wenn es Missmut hinter oder vor den Kulissen gab. Und es steht Nintendo nicht gut zu Gesicht, sich daran zu beteiligen.
Ikonische Heldin
Aber zurück zu diesem Spiel: Warum kann es mich heute noch begeistern? Und wie wurde es für Switch umgesetzt? Da ich eingangs die Musik und die Gänsehaut erwähnt hatte, möchte ich mit der Stimmung beginnen. In dieser Science-Fiction steckt zwar auch noch etwas von Nintendos kindlich-bunter DNA, wenn man sich etwa einige eher putzige Figurendesigns anschaut. Aber die Stimmung wirkt auch im Vergleich zu Zelda erwachsener und zwielichtiger, wenngleich ähnlich heroisch - letztlich wird Samus genauso wie Link als strahlender Retter inszeniert; die Chozo sprechen sogar von einem Ritter.
Gerade aufgrund des allgemeinen Schweigens, es gibt ja nur Texte, entsteht in der Rolle der einsamen Heldin auch eine Art futuristische Erhabenheit. Natürlich ist das auch ein wenig aus der Not geboren, denn Sprachaufnahmen sind teuer, und gerade für Nintendo-Produktionen ist es eher normal. Trotzdem verstärkt die Stille hier die Atmosphäre. Ganz entfernt kann man Samus' Situation vielleicht mit jener von Ellen Ripley aus Alien vergleichen. Aber damals erinnerte mich einiges in der Architektur sowie der wortlosen Inszenierung eher an ICO, das ja ein Jahr zuvor auf PlayStation 2 erschien. Und in Metroid Prime 2 sollte das vor allem hinsichtlich des Einsatzes von Licht und Monumenten, aber auch angesichts der bedrohlichen Parallelwelt noch deutlicher werden.
Mir gefällt jedenfalls bis heute dieses Ikonische einer souveränen Heldin, die sich ohne innere Monologe oder erkennbare Zweifel mutig in das Abenteuer stürzt. Dem Artdesign gelingt zudem eine überragende Transformation der 2D-Figur in eine voll gepanzerte 3D-Lady, deren Antlitz man ab und zu hinter dem Visier erkennen kann. Manchmal blitzt es in diesem Remaster nur für einen Augenblick auf, wenn es aufgrund einer Explosion eine Spiegelung gibt. Das sind die feinen technischen Kleinigkeiten, die ihr zusammen mit dem Hightech-Anzug samt Kampfarm fast die Aura einer mythologischen Kriegerin verleihen - immerhin wurde er ja auch von den Chozo entworfen.
Prächtige Spielwelt
Neben dieser starken Präsenz ist es vor allem die Spielwelt, die mit ihren Kulissen und Kreaturen für eine dichte Stimmung sorgt - schon damals gehörte Metroid Prime plattformübergreifend zu den prächtigsten 3D-Abeneuern. Man stromert zunächst durch enge Korridore, während es um einen herum zischt und wabert, man erkundet Labore voller Bildschirme und riesiger Glasvitrinen mit mutierten Kreaturen. Es gibt Röntgenaufnahmen und Beschreibungen für nahezu alle Wesen, so dass eine Story greifbar wird, nach der die Weltraumpiraten über Experimente mit dem gefährlichen Stoff Phazon eine Armee aus Mutanten erschaffen wollten. Es gibt aber nicht nur riesige Anlagen und Gewölbe, sondern auch eine halb offene Außenwelt.
Tallon IV ist ein erdähnlicher Planet, dessen Dschungel, Lavahöhlen, Wüstensiedlungen und Eiszonen auf clevere Art verzahnt sind. Noch nicht so genial wie in späteren Teilen oder gar so grandios labyrinthisch wie in Dark Souls, aber mit einigen tollen Déjà-vus. Eigentlich wollten die Chozo auf diesem fruchtbaren Planeten in Frieden aller Technologie entsagen, aber irgendwann schlug der Meteorit mit dem radioaktiven Phazon ein - und dann kamen die Weltraumpiraten. Trotzdem wirkt noch einiges idyllisch, wenn Samus ihren Raumjäger verlässt: Man startet in einem grünen Gebiet voller Pflanzen mit kleinen Höhlen und rauschenden Wasserfällen.
Von hier aus entdeckt man nach und nach die Übergänge zu den anderen Arealen, wobei man nicht sofort alles erkunden kann, weil Durchgänge zu klein, Plattformen zu weit weg oder Türen einfach verschlossen sind. Trotzdem macht es von Beginn an Spaß, die Wege bis zu diesen Grenzen zu erkunden. Die an Riesenkäfer erinnernden Wesen wirken zunächst putzig und man kann bald ganz unterschiedliches Verhalten beobachten: Manche schnappen sich Samus als Morphball und spucken sie aus, andere sind gefährlicher und nur an bestimmten Stellen wie dem Rücken verwundbar. Es gibt elektrisch geladene Wesen, getarnte Flieger, Giftpflanzen und Riesenwürmer, die plötzlich aus der Lava brechen. Es gibt über 80 Lebewesen und Pflanzen, von harmlosen Flechten über Giftpilze bis hin zu Stachelkäfern, Erdwürmern und Riesenwespen. Aber es entsteht nicht immer Kampf auf Leben und Tod, denn man muss sie nicht zwingend vernichten, kann vorbeirollen oder einfach weiter springen, um sein nächstes Ziel zu erreichen.
Klasse Leveldesign
Wie findet man das? Es gibt kein Tagebuch mit Quests und auch keinen goldenen Weg, den man einblenden kann. Aber je nach Fortschritt der Heldin werden Ereignisse ausgelöst und Bereiche auf der Weltkarte markiert. Das ist ein toller Kniff der Regie, denn meist befinden sie sich weiter weg von dem bisher erforschten Areal. Aber so weiß man, dass es z.B. in der Eiswelt irgendwie Richtung Osten weitergehen muss. Im Gegensatz zu modernen GPS-Systemen hat man so das schöne Gefühl, selbst eine Route suchen zu können.
Auf zoombaren Karten zeigen farbige Symbole an, ob man Durchgänge mit einer Waffe öffnen kann; außerdem zeigen blaue Umrisse noch unerforschte Zonen. Aber ganz wichtig: Diese 3D-Übersichten durchleuchten nicht alles. Die Welt wird also selbst mit Karte nicht komplett entschlüsselt, so dass man z.B. nicht weiß, wo genau sich Raketen- oder Lebensupgrades befinden, wo man den Doppelsprung, den Greifhaken aka Grapple Beam, eine Morphballbombe, den Boost oder den Spider Ball benötigt. Auch das ist ein toller Kompromiss aus Komfort und Anspruch. Apropos Gegenstände: Je nachdem, wie viele man sammelt, erlebt man ein leicht unterschiedliches Ende. Wer alle findet, bekommt das ausführliche Finale mit einer erzählerischen Überleitung zum zwieten Teil.
Einige nicht sofort durchschaubare Rätsel sorgen dann zusammen mit der fehlenden Beschriftungsfunktion dafür, dass man in einigen Gebiete etwas länger knobelt oder sie mehrmals besuchen muss. Auch in Metroid Prime kann man also mal das Gefühl haben, in einer Sackgasse zu stecken. Aber genau das ist gut so. Eine andere Eigenheit kann eher nerven: Man darf ja nicht manuell speichern und auch nach Bossen wird nicht automatisch gespeichert. Man sollte also nicht mit der neu erworbenen Fähigkeit direkt in unentdeckte Gebiete, sondern immer zuerst die Station zum Sichern des Spielstandes aufsuchen, sonst muss man alles nochmal erledigen - inklusive Bosskampf.
Die Macht des Scans
Die Areale sehen auf der Switch in "neuem" HD teilweise famos aus. Schaut man nach oben, tropft es aufs Visier und das Nass perlt langsam daran ab - diese Effekte haben schon damals auf dem GameCube begeistert. Aber es wabert und zischt, tropft und blitzt jetzt ansehnlicher. Regen, Hitze, Eis & Co werden partikelreicher inszeniert, wenn im Angesicht von Lavaseen der Visor beschlägt oder Eiskristalle die Sicht versperren. Wenn man vorher in 4K auf der PlayStation 5 gespielt hat, sind die schwächeren Texturen und Details zwar offensichtlich, aber trotzdem kann sich dieses Abenteuer sehen lassen. Ich würde sogar sagen, dass Metroid Prime Remastered zu den bisher prächtigsten Spielen für die Switch gehört. Und es wäre sehr schade, wenn nicht auch die Nachfolger genau diese Schönheitskur bekämen, zumal Metroid Prime 2 auf dem GameCube technisch noch stärker war, noch größere Areale und beeindruckende Lichteffekte hatte - es sah damals besser aus als Halo 2 auf der Xbox, das Microsoft als Grafikwunder anpries.
Noch wichtiger als die Kulisse ist natürlich die Spielmechanik, in der das Scannen der Umgebung eine wichtige Rolle spielt. Was heute gewöhnlich wirken mag, weil nahezu jedes Spiel über eine Art Röntgenblick verfügt, war damals eine kreative Neuerung: Denn man kann über den Scan nicht nur Texte der Chozo entziffern oder Nachrichten der Weltraumpiraten lesen, sondern auch Feinde und deren Schwachpunkte analysieren, die daraufhin im Archiv gespeichert werden. Gerade vor den tollen Bossgefechten oder im Angesicht riesiger Kreaturen ist das wichtig, denn während man gewöhnliche Feinde leicht besiegt, das reine Shooter-Niveau also auch auf dem mittleren der drei Schwierigkeitsgrade recht niedrig ist, sind die Bosse in mehreren Phasen fordernder als etwa in Super Metroid auf dem SNES.
Angenehme Bosse
Aber auch hier greift eine angenehme Logik statt Trial&Error, denn meist muss man das kürzlich Erlernte bzw. die neue Waffe einsetzen, um den Boss zu besiegen - das ist eine besonders von Nintendo gepflegte Tugend, die ich sehr mag. Kurz bevor man z.B. auf den Felskoloss im Eis trifft, erwirbt man die Wärmebildsicht für den Visor. Und genau damit kann man jene Schwachpunkte erkennen, die man treffen muss, wobei der Schaden meist auf einer Lebensleiste erkennbar ist. Lasst euch von der sehr leicht zu vernichtenden Parasiten-Königin auf der Fregatte nicht täuschen: die Schwierigkeit der Bosskämpfe zieht an, verlangt dabei oft ein gewisses Umdenken, aber bleibt im Vergleich zur Soulsreihe angenehm.
Man muss jedenfalls bald in mehreren Phasen gegen riesige Kreaturen bestehen, samt dem wichtigen Wechsel in den Morphball, zu einem anderen Visor oder einer anderen Waffe, so dass man schnell und dynamisch reagieren muss. Manche Bosse sind eher gegen Raketen oder Bomben, andere gegen Plasma, Charge oder Eis Beam anfällig. Innerhalb der Videospielgeschichte gehören diese Gefechte für mich auch deshalb zu den besten, weil sie eine spielmechanische Vielfalt mit Logik und angemessen ansteigender Schwierigkeit vereinen. Laut der Entwickler hat man damals übrigens zwei bis drei Monate gebraucht, um einen Bosskampf zu designen.
Damals waren die Egosicht plus Shooterfunktionen ja auch etwas Neues für die Retro Studios, die ja eigentlich die Schultersicht bevorzugten. Und man entschied sich daher, den Weg zum Boss nicht zu fordernd zu gestalten. Trotzdem steigert sich der Anspruch hin zu explosiven Gefechten, denn man trifft auf immer mehr und auch fliegende Weltraumpiraten. Außerdem gibt es einige größere Monster und manchmal muss man in geschlossenen Arenen so lange bestehen, bis alle Gegner erledigt sind. Da ihr Verhalten nicht besonders clever ist, sollte das für einigermaßen erfahrene Zocker jedoch kein Problem sein. Zumal die Steuerung präzise und das Anvisieren der Gegner kein punktgenaues Schießen verlangt und sehr komfortabel ist: Mit der linken Schultertaste kann man sie automatisch fixieren, um dann weiter um sie herum strafen und Raketen abzufeuern. Was leider nicht funktioniert ist das schnelle Wechseln der Zielfixierung per Analogstick.
Rätsel und Akrobatik
Aber zurück zum Scan, denn er kann noch mehr als Schwachstellen von Bossen zu offenbaren. Er zeigt z.B. Risse oder zerstörbares Material und aktiviert Mechaniken. Das kann das simple Anheben von Plattformen sein, das Öffnen einer Tür oder die Auslösung eines Apparates. Und deshalb ist er mehr als ein Mittel für fragmentiertes Storytelling über Notizen, sondern auch ein spielmechanisches Werkzeug innerhalb der Erkundung sowie der Rätsel.
Es gibt einige tolle Räume und Areale mit Puzzles, in denen man alles kombinieren muss: das Scannen, die Fähigkeiten des Morphballs oder einer Waffe. Manchmal muss man Gebiete mit Wasser fluten, um für kurze Zeit auf die schwimmenden Plattformen hüpfen zu können, man muss Stromkreisläufe wieder herstellen oder über die Wärmesicht spezielle Leitungen erkennen. Vielleicht hätte man den Scan noch öfter verknüpfen können, aber das wird dann im zweiten Teil weiter verbessert. Auch nach zwanzig Jahren wirkt dieses Prinzip auf mich jedenfalls vielseitig und motivierend.
Eine besondere Herausforderung für die Entwickler war auch die Akrobatik aus der Egosicht: Schließlich muss Samus von Beginn an über Abgründe springen und recht schnell bekommt sie den Doppelsprung, der gutes Timing verlangt. Auf jeden Fall sind diese Situationen als Jump'n Run besser zu bewältigen als so manche Morphball-Bewegungen. Denn dann schaltet die Kamera nicht nur in eine seitliche Sicht, die recht einfach zu beherrschen ist, und in der man wie in einem 2D-Puzzle meist über Bombenexplosionen hüpfen kann, sondern auch in eine weniger ideale Schulterperspektive von schräg oben. Da kann es auf sehr engen Bahnen ohne Geländer mal schnell abwärts gehen, zumal die Steuerung recht empfindlich ist. Auch der Einsatz des Boost, um als Ball in Rampen wirklich Fahrt aufzunehmen, braucht manchmal mehrere Versuche. Diese gelegentliche Schulterperspektive ist eines der letzten Überbleibsel von Metaforce.
FAZIT
Es tut einfach so gut, dieses Metroid Prime Remastered zu spielen. Dieser Meilenstein aus dem Jahr 2002 ist nicht verwittert oder über zwei Jahrzehnte in die Jahre gekommen, sondern immer noch ein beeindruckendes Zeugnis herausragenden Gamedesigns. Die zeitlose Qualität dieses Action-Adventures wird spätestens dann deutlich, wenn ich aktuelle Abenteuer auf dem PC oder der PlayStation 5 reihenweise abbreche, um wieder mit der Kopfgeldjägerin aufzubrechen. Als ich die Titelmelodie auf der Switch hörte, bekam ich eine Gänsehaut. Aber es war keine Nostalgie, die mich dazu trieb, dieses futuristische Abenteuer noch einmal zu spielen. Es ging mir nicht darum, ein wenig in alten Zeiten zu schwelgen, sondern den Kontrast des Erlebens zu inhalieren, diesen Kontrapunkt zu den aktuellen offenen Welten mit ihren Rollenspiel- und Sammel-Overlays. Spiele wie Hogwarts Legacy oder Wo Long schrumpften auf überlegener Hardware regelrecht zusammen, ließen mich an der Oberfläche treiben, während mich das wunderbar fokussierte Abenteuer dieser Heldin wieder tief in die Couch sinken ließ. Als 29-Jähriger habe ich es auf dem GameCube mit der Höchstwertung gefeiert, als 49-Jähriger habe ich die 15 Stunden dieses Abenteuers noch einmal genossen.
PS: Metroid Prime 2 war 2004 tatsächlich noch einen Tick besser, sowohl spielerisch als auch visuell. Es konnte das Licht sowie die Monumentalität eines ICO mit der bedrohlichen Parallelwelt eines Soul Reaver verbinden.
(Bilder: Metroid Prime, Switch, offizielle Screenshots)
Metroid Prime habe ich damals nicht gespielt, so kam ich jetzt erst in den Genuss. Was für ein Erlebnis! Ich habe es auch meinen Jungen (8) spielen lassen. Das Gefühl auf einem anderen Planeten zu sein, ließ sich bei ihm wunderschön beobachten: obwohl er es ja liebt zu ballern, hat er die Tiere nur abgeschossen, wenn es unbedingt nötig war. Es war vollkommen natürlich für ihn, die Wesen als Bewohner dieses Planeten zu betrachten.
Eine kleine Kritik, muss ich aber doch loswerden: Im Endgame noch 12 Artefakte zu suchen, mit diesen unmöglich weiten Wegen, hat meinen Spielspaß schon etwas getrübt. Wie ich hören musste, soll das im zweiten sogar noch schlimmer werden.
Nachdem ich wirklich viele viele 2D Metroidvanias gespielt habe, aber niemals auch nur ein einziges Metroid, hat mich Prime wirklich vollkommen gepackt. Das Spiel würde, wenn es heute genau so (ertsmalig) erscheint, nach wie vor ein totaler Kracher sein. Es läuft so butterweich, so präzise. Stimmung ist fantastisch. Welch Schande dieses Spiel nicht eher gespielt zu haben. Ich wünsche mir dringend Teil 2 und 3 für die Switch herbei (:
Also gut, dann werde ich es jetzt doch kaufen. Ich kenne aktuell nur Metroid Dread, was für mich persönlich das beste Switch Spiel ist (ideal übrigens auf der Switch OLED durch das Leveldesign). Ich fand bei Dread neben dem Gameplay und der Atmosphäre auch die Präsentation extrem gut. Es waren eigtl. nur spärliche Textboxen, die einen kurz und knackig in das Setting einstimmten und dann direkt in die Spielwelt entließen. Und genau das gefiel mir -eben wie Du schon schriebst- als "Kontrapunkt" zu dem oftmals überkandidelten Spieleallerlei. Ich hatte sofort "Alien" Vibes und nachdem ich mich an das Spielprinzip gewöhnt hatte, störte mich das Backtracking komischerweise gar nicht mehr. Es passt halt auch wieder zu dem Setting, zu dem Gefühl…
Hatte das Spiel zwar, aber nie beendet. Fand das Design immer recht gewöhnungsbedürftig. Allein der Anzug. So eine seltsame japanische Mischung aus Iron Man und dem Master Chief.
Aber sei's drum, selbst wenn ich vor hätte diese Neuauflage erneut zu kaufen, für 60 Tacken jedenfalls nicht. Ist mir für ein Remaster deutlich zu teuer. Bei 30 hätte ich noch okay gesagt.
Was mich generell interessiert: Gibst du deine Spielzeit brutto oder netto an?
Ich meine mit brutto die gesamte Zeit, die man für das Spiel vor dem Schirm sitzt und spielt.
Und mit netto die Spielzeit, die das Spiel berechnet und im Menü anzeigt. Wenn man z. B. x Anläufe braucht, um einen Boss zu besiegen und der letzte, erfolgreiche Anlauf dauert von Speicherpunkt davor bis Speicherpunkt danach 15 min, würde das Spiel ja nur diese 15 min berechnen, obwohl man viel länger vor der Kiste gesessen hat.