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AutorenbildJörg Luibl

Schach, Dame und der Spiele-König von Kastilien

In einer Erkundung vor dem Gespräch mit "Boardgame Historian" Lukas Boch, der sich wissenschaftlich mit Brettspielen sowie dem Mittelalter befasst, und den ich heute als Gast in "Auf einen Whisky" begrüßen darf, möchte ich kurz über Schach sprechen.


Seit Corona spiele ich wieder, meist Chess über Apple Arcade am iPad. Allerdings auf bescheidenem Niveau: Ich krebse bei etwa 950 Punkten online herum und verzweifle grade gegen KI-Gegner "Jonas". Dieses auf reine Logik bauende Spiel hilft mir aber sehr gut, mich zu fokussieren. Und es macht natürlich Spaß!


Aus kulturhistorischer Sicht sind einige Dinge spannend an Schach. Da wäre z.B. das Phänomen, dass es über alle Kulturen und Religionen hinweg fasziniert und sich als "wanderndes Spiel" über Jahrhunderte entwickelt hat: In Indien und Persien gab es zunächst gar keine Dame an der Seite des Königs, sondern nur einen Mantrin oder Wesir (eine Art Minister), der sich lediglich ein Feld in alle Richtungen bewegen konnte.


Erst im Europa des Spätmittelalters wurde die mächtige weibliche Figur ins Spiel gebracht, die in alle Richtungen dominiert - und die damit die Taktik des modernen Schach entscheidend prägt. Aber wie konnte das geschehen? Wer hatte diese Idee? Waren es christliche Königinnen? Lag es an der Verehrung von Maria? Man vermutet, dass die Dame im Umfeld von Isabella I. (1451 - 1504) von Kastilien eingeführt wurde. Die Ursprünge dieser Entwicklung könnten in Südeuropa liegen.


Libro de los Juegos, Schach-Problem Nr. 35, 1283, gemeinfrei.

Denn in Spanien gab es schon zwei Jahrhunderte vor der Wandlung der Dame einen Spiele-König, Alfons X. (1221 - 1284), der auch "der Weise" genannt wurde. Er hat ein berühmtes Werk über Brett- und Würfelspiele zusammen gestellt, das "Libro de los Juegos", das "Buch der Spiele". Darin befindet sich auch eine Sammlung so genannter Schach-Probleme, also kleine Stellungsrätsel für Taktiker. Natürlich florierten im Mittelalter viele andere Spiele, vor allem Glücks- und Würfelspiele, die in Tavernen für einige Probleme sorgten, wenn Leute "bis zum letzten Hemd" zockten.

Schach galt vielleicht nicht als das "weiseste Spiel" der Welt, wenn man denn einer Geschichte aus dem Spiele-Buch folgt. Denn darin geht es auch um die philosophische Frage, ob das Schicksal oder der freie Wille das Leben des Menschen bestimmt. Als ein indischer König drei Weise nach ihrer Meinung fragt, antwortet der erste, dass Schach demonstriere, dass nur die Vernunft zum Sieg führe; der zweite verweist auf das Glück des Würfelspiels und favorisiert das Schicksal. Der dritte Weise hingegen nennt Backgammon als Beweis dafür, dass nur in einer Kombination aus Logik und Zufall wahre Weisheit liegen würde - denn man müsse als König auch mit Ereignissen umgehen können, die man nicht vorhersehen kann.


Zum Schluss sei angemerkt, dass Schach als erstes "Wargame" gilt. Warum das so ist, was die Preußen und sogar Dungeons & Dragons damit zu tun hat, erläutere ich in einer kommenden Vertiefung.


Viel Spaß heute bei "Auf einen Whisky" mit Lukas Boch - es lohnt sich, das war ein ganz toller Gast und ein klasse Gespräch über Brettspiele, Kultur und Geschichte!


6 Comments


Georg
Georg
Mar 04, 2022

Ich finde Schach wird interessanter je öfter man es spielt und je tiefer man einsteigt. Bei vielen Brettspielen ist nach 30-40 Partien die Luft raus, entweder weil sie zu ähnlich ablaufen oder die Komplexität fehlt.

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JudgeMeByMyJumper
JudgeMeByMyJumper
Jan 10, 2022

Meine Frau hat mir vor 6 Jahren mal versucht Schach beizubringen, aber die ewigen Niederlagen haben mich zu sehr demotiviert. Von daher bleibe ich wohl zeitlebens bei Mühle, das wurde bei uns im Elternhaus auf der Zweitseite des Schachbretts sehr ausgiebig in der Kindheit gespielt.

Was mich allerdings extrem fasziniert hat war die Netflix Serie The Queen's Gambit, welche Jörg ja auch schonmal in einem Podcast einer anderen Spieleseite erwähnte. Das war ja glaube ich dann auch der Auslöser selbst auch wieder Schach zu spielen, wenn ich mich richtig erinnere. Das war wirklich ein Hochgenuss. Und auch den Film Pawn Sacrifice (Bauernopfer - Spiel der Könige) mit Tobey Maguire als Bobby Fischer von 2014, welchen ich damals in Tokio i…

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Jörg Luibl
Jörg Luibl
Jan 10, 2022
Replying to

Ja, Schach macht Spaß, wenn beide Seiten ähnliche Fehler machen und es kein Unterricht ist. Die Unterschiede im Niveau sind gewaltig,;) Ach so: gute Empfehlungen. Ich könnte noch"Lushins Verteidigung" von Vladimir Nabokov empfehlen - das ist zwar kein reiner "Schachroman", aber eine tolle Geschichte mit einem verschrobenen Genie als Helden.

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KaFour
KaFour
Jan 09, 2022

Schach ist wahrscheinlich das Spiel, das (für mich) der "perfekten Spielmechanik" näher kommt alles jedes andere. Egal ob Brettspiel oder Computerspiel.

Die Regeln sind komplexer als sagen wir mal Vier Gewinnt oder Tetris. Deshalb kann man innerhalb desselben Regelwerks viele ganz unterschiedliche Arten von Partien erleben. Andererseits sind die Regeln noch so überschaubar, dass alle Regeln immer universal gelten können: man muss nicht durch künstliche Einschränkungen dafür sorgen, dass einzelne Regeln nur zu bestimmten Zeiten anwendbar sind. (wie z.B. bei Trading Card Games. Ich mag irgendwie auch keine "Ereigniskarten".)


Ich habe gerade gesehen, dass 3 Monate Apple Arcade beim letzten Telephon dabei waren. Werde ich für "Chess" mal einlösen...


Insgesamt kann man neidlos anerkennen: Into the breach ist lediglich dass…

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Schach hat mir mein Vater vor zig Jahren nahegebracht. Wir haben damals regelmäßig gegeneinander gespielt. Seit dem komme ich leider viel zu selten dazu, aber wenn, dann ist es immer wieder eine Freude sich in grüblerisches Schweigen zu hüllen und/oder im Nachhinein mit dem Gegenspieler zu besprechen, welche Möglichkeiten wann gegeben gewesen wären. Immer wieder sehr spannend.

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FrancesTheMute
FrancesTheMute
Jan 07, 2022

Ich habe vor Jahren unregelmäßig Schach gespielt, Vielleicht nicht immer regelkonform, aber es hat mir Spaß gemacht. Grundsätzlich ist das Interesse da, aber mir fehlt halt leider die Zeit bzw. ich nehme sie mir nicht. Dennoch danke für den kleinen historischen Exkurs!

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