Ich habe kürzlich mit Christian Endres im Podcast über das Genre der Science Fantasy gesprochen, über Star Wars und Masters of the Universe, Comics, Romane und Action-Figuren. Als kleinen Nachtrag hab ich einige Gedanken und Aspekte dazu gesammelt, die mich nach dem Gespräch noch etwas in der Geschichte stöbern ließen.
Als mich in den 80ern der Krieg der Sterne von George Lucas und die Figuren von Mattel im Kinderzimmer beschäftigten, waren das noch zwei klar getrennte Welten für mich. Die Ähnlichkeiten zwischen Luke Skywalker und He-Man, die beide eine archaische Magie im Kampf einsetzen und gegen einen Archetypen des Bösen antreten, waren mir gar nicht so bewusst.
Woher kam die Faszination, die sich bis heute gehalten, wenn ich in Sovereign Syndicate mit einem Minotaurus im viktorianischen London unterwegs bin? Zwar bin ich den Masters irgendwann entwachsen, aber natürlich besteht der Spaß an Videospielen wie einem Arcanum oder Pen&Paperwelten wie Shadowrun ebenfalls aus der Spannung der Gegensätze, den Konflikten zwischen Hightech und Zauberei, Robotern und Drachen, die für den modernen Menschen eher unvereinbar sind.
Die Gleichzeitigkeit von Technik und Magie, von Fortschritt und Aberglauben, die in Romanen und Spielen dieses Genres begeistert, obwohl sie rein rational betrachtet so kitschig und bizarr wirken kann, hat jedenfalls weit reichende historische Wurzeln. Man könnte so einige Phasen der Geschichte heranziehen, etwa jene der Jungsteinzeit, in der die Menschen handwerklich so fortschrittlich und kulturell vernetzt waren, dass sie europaweit komplexe Megalith-Anlagen errichteten.
Selbst die Römer, die Straßen, Brücken und Aquädukte in halb Europa errichteten und in vielen Dingen rationalistisch waren, achteten immer auf Zeichen und Botschaften ihrer Götter, leiteten vom Vogelflug sogar Entscheidungen ab. Vielleicht hat sich davon etwas im kulturellen Bewusstsein gehalten. Vielleicht ist es auch nur die Sehnsucht nach Ausgleich oder einfach nur die Lust auf exotische Abenteuer, die die Science Fantasy so beliebt macht.
Aber bevor ich jetzt noch auf Spuren in der Literatur vom Gilgamesch-Epos bis Jules Verne hinweise, beame ich mich mal ins 20. Jahrhundert. Denn in der Kurzgeschichte John Carter of Mars, die 1912 im Pulp-Magazin Argosy erschienen ist, begegnet man einem der ersten Helden des Genres und damit einem Urahnen von Luke Skywalker und He-Man. Als Veteran des Amerikanischen Bürgerkriegs entwickelt sich John auf dem roten Planeten zu einem berühmten Retter und Krieger, der wie ein Beowulf gegen mythologische Bestien kämpft.
Sein Schöpfer, der Amerikaner Edgar Rice Burroughs, der übrigens auch Tarzan erfand, kannte das Genre der Science Fantasy noch gar nicht. Die erste gemeinsame Erwähnung der beiden Begriffe findet sich viel später, im Jahr 1931, als ein Pulp-Magazin namens Miracle Science and Fantasy Stories in den USA erschien. Das Cover war markant illustriert, es war 144 Seiten stark und kostete - wie damals üblich - nur 20 Cent.
Allerdings klang es besser als es sich verkaufte, konnte weder an die etablierten Amazing Stories oder Weird Tales anknüpfen, wurde schon nach zwei Ausgaben eingestellt und hat letztlich keine interessanten Autoren oder Geschichten hinterlassen. Ganz im Gegensatz zum Pulp-Magazin Unknown, das John W. Campbell 1939 herausbrachte und in dem die Science Fantasy so richtig lebendig wurde.
Aus zwei Gründen ist dieses unheilvolle Jahr erwähnenswert: Der Comic-Verlag Marvel wurde gegründet und Captain America, Human Torch, Namor der Sub-Mariner feierten neben hunderten anderen Superhelden während des Zweiten Weltkriegs ihre Premiere. Außerdem wurde mit Marooned Off Vesta die erste Geschichte des damals 19-jährigen Isaac Asimov in Amazing Stories veröffentlicht.
Im verzweifelten Überlebenskampf der drei Raumfahrer, die Verstand und Technik scharfsinnig einsetzen müssen, war sein naturwissenschaftlicher Blick schon erkennbar, wohingegen Autoren wie Robert A. Heinlein, Fritz Leiber, Jack Williamson, Ron Hubbard, Sprague de Camp und Flatcher Pratt im Magazin Unknown damit experimentierten, Motive der Fantasy und Science-Fiction zu verbinden - meist indem man versuchte, Übernatürliches wie etwa Götter, Magie, Drachen oder Werwölfe logisch oder sogar mathematisch zu erklären.
Dabei ging es dem Herausgeber Campbell darum, den Lesern einen erzählerischen Kontrapunkt sowohl gegenüber dem eher ernsten Horror oder der historischen Fantasy in Weird Tales (Cthulhu, Conan etc.) als auch den wissenschaftlich-futuristischen Themen, wie z.B. in seinem zweiten Magazin Astounding Science Fiction anzubieten. Hier kam daher oft eine Prise Humor hinzu, wenn quasi Zauberei auf Rationalität traf. Allerdings war der nicht so ausgeprägt wie seit 1983 in den Scheibenwelten von Terry Pratchett, die heute auch der Fantasy Comedy zugerechnet werden.
Lange vor dem gescheiterten Magier Rincewind oder gar He-Man war der Psychologe Harold Shea jedenfalls einer der prägenden Helden der Science Fantasy. Er ist 1940 in einer Kooperation zwischen den Schriftstellern Sprague de Camp und Flatcher Pratt entstanden. Als Reisender zwischen den Welten landet Harold in der Geschichte The Roaring Trumpet in einer parallelen Wikinger-Realität, beherrscht dort zwar plötzlich das Altnordische, aber nicht mehr das Englische - was unfreiwillig komisch ist, denn er hatte sich extra ein Survival-Handbuch eingepackt.
Außerdem gelten hier andere physikalische Gesetze als jene der Erde, Zauberei ist tatsächlich wirksam und Ragnarök nicht nur eine poetische, sondern eine bald stattfindende historische Endzeit mit dem Kampf zwischen Göttern und Riesen. Kurz vor dem Erfrieren wird Harold Shea von Odin gefunden und die wundersame Mischung aus Science sowie Fantasy nimmt ihren Lauf. In späteren Geschichten hat er es u.a. mit finnischen und irischen Mythen sowie dem fränkischen Mittelalter zu tun. Bei Heyne erschienen 1981 einige Bände im Harold-Shea-Zyklus wie An den Feuern des Nordens (die Übersetzung von The Roaring Trumpet), Die Kunst der Mathemagie, Die stählerne Festung oder Der grüne Magier auf Deutsch.
Das Augenzwinkern hat sich in der Mischung des Märchenhaften und Mittelalterlichen sowie des Futuristischen bis heute in diesem Subgenre gehalten, wenn man etwa an manche putzigen Kreaturen aus Star Wars denkt, das George Lucas selbst nicht als Science Fiction, sondern als Fantasy und Space Opera bezeichnete. Es gibt ja auch gar keine feste Definition der Science Fantasy, zu der - je nach Auslegung - Star Trek, Dune, Warhammer und Shadowrun gerechnet werden, für die es wiederum eigene Subgenres und Begriffe gibt.
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Über den Begriff "Science Fantasy" bin ich tatsächlich erst jetzt hier gestolpert. Mein Kinderzimmer wurde damals auch von Skeletor dominiert. Für mich war das nie ein Gegensatz. Wenn He-Man mit seinem Zauberschwert Lasersalven abwehrte, war das für mich nur logisch. Ein normales Schwert das hätte nicht können. 😄 Manchmal hilft weniger denken. 😅 - Lange Rede, kurzer Sinn. Für mich funktioniert beides immer noch sehr gut, gerade in Warhammer 40k und bei den Masters of the Universe (immer noch).
Science Fantasy hat sich als Genrebegriff nie wirklich durchsetzen können. Das liegt wohl auch daran, dass es sich in einem sehr überlappenden Bereich bewegt. Vor allem der Fantasy-Anteil ist so weit gefasst, dass es andere Klassifizierungen gibt, die deutlich enger gefasst sind.
In den 50er Jahren boomte die Science Fiction noch einmal sehr stark und allem voran die Low Fantasy wurde davon regelrecht überrollt. Science Fiction war ein solcher Publikumsmagnet, dass sogar Fantasy-Bücher unter Science Fiction verkauft wurden. Doch gerade in dieser Zeit erlebte die Science Fantasy ihre Blütezeit. "I Am Legend" (Ich bin Legende) von Richard Matheson, "Three Hearts and Three Lions" (Dreiherz) von Poul Anderson oder die Kurzgeschichtensammlung "The Golden Apples of the Sun" (Die goldenen Äpfel der…