Was hätte Stanisław Herman Lem (1921 - 2006) wohl zu diesem Spielprojekt von Starward Industries gesagt, das eigentlich schon zu seinem 100. Geburtstag erscheinen sollte? Immerhin ist das Abenteuer The Invincible nach einem seiner Romane benannt, der 1964 auf Deutsch als "Der Unbesiegbare" erschien; es gibt auch ein Hörspiel dazu.
Im kommenden "SciFi-Thriller" für PC, PS5 und XBS erkundet man in Egosicht den darin beschriebenen Planeten Regis III, wobei sich auf der Suche nach der Crew auch philosophische Fragen über die Menschheit ergeben. Man bekommt unterwegs Hilfe vom Ratgeber Astrogator, scant die fremde Umgebung und trifft Entscheidungen, die jeweils zu einem anderen Ende führen sollen - aus der Ferne klingt das wie eine Mischung aus Metroid Prime, Heaven's Vault und Signalis.
Die Verfilmungen seines berühmtesten Romans Solaris, in dem die Menschheit außerirdisches Leben auf einem seltsamen Planeten sucht, mochte der Freund von Dostojewski, Kafka und den Strugazki-Brüdern jedenfalls nicht. Und Zeit seines Lebens gab es keine Spiele zu seinen Geschichten oder Universen, auch nicht in der frühen Phase des Apple 2, C64 oder Amiga, die er hätte kommentieren können.
Es gibt zwar ein Spiel von 1976, das tatsächlich LEM heißt, aber es hat mit seinem Namen nichts zu tun, auch wenn es thematisch verwandt ist: Es geht um eine simulierte Mondlandung, also das sichere Platzieren eines Raumschiffs auf einer Plattform. Aus der ersten textbasierten Variante namens Lunar Lander von 1969 hat sich dann bis heute ein gleichnamiges Subgenre mit über 100 Spielen entwickelt. Entfernt verwandt damit sind übrigens so genannte Cave-Flyer wie Gravitar oder Thrust, wobei mein absoluter Favorit Gravity Crash von 2009 auf der PS3 ist. Aber jetzt schweife ich ab...
Das einzige Spiel mit direktem Bezug zu Lem ist ein Comic-Adventure namens "60th Anniversary of Stanislaw Lem's First Publication", das Google zu Ehren seines ersten Buches Astronauci veröffentlichte, das 1951 erschien - ihr könnt es hier im Browser spielen. Angesichts der Popularität des polnischen Schriftstellers in der Science-Fiction ist dieses Fehlen von Videospielen zu seinen Geschichten jedenfalls erstaunlich.
Vielleicht hat das auch mit dem Kalten Krieg zu tun, zumal es eine bizarre Geschichte zwischen ihm und Philip K. Dick gibt, mit dem er als Übersetzer einen Briefwechsel in den 70er Jahren führte, der angesichts der Psychose des Amerikaners so eskalierte, dass er nicht nur die Aberkennung seiner Ehrenmitgliedschaft in der Science Fiction and Fantasy Writers of America durchsetzte, sondern Lem auch beim FBI anzeigte. Übrigens ist der Kalte Krieg auch im Spiel nicht vorbei, es gibt immer noch analoge Elektronik und so soll ein Zukunftsbild mit Retro-Ästhetik entstehen, ähnlich wie in Signalis - die Entwickler nennen es auch Atompunk.
Auf jeden Fall freut es mich, dass Starward Industries, gegründet von Marek Markuszewski, der wie einige andere vorher bei CD Projekt RED u.a. an The Witcher 3 arbeitete, endlich diese Lücke schließen und aus seinem Roman ein Videospiel machen wollen. Für dieses Projekt arbeiten sie mit der Familie des Schriftstellers zusammen. Zwar startete die Arbeit daran schon 2018, und das Spiel sollte eigentlich im Jubiläumsjahr 2021 fertig sein, aber musste dann verschoben werden. Dieses Jahr soll es für PC, PS5 und XBS erscheinen - ich bin sehr gespannt.
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Moin Jörg,
ich finde deine literarischen Ausflüge immer wieder erfrischend und mega interessant.
Danke dafür. 🙂
Neben den ganzen populären, klassischen SciFi Autoren geht oft eine Name unter, Sergej Snegow.
Sein bekanntestes Werk ist die Trilogie „Menschen wie Götter“.
Ich bin mir nicht sicher, inwieweit die Bekanntheit anderer auch darauf basiert, dass etliche Werke als Hörbücher oder Filme umgesetzt wurden. Das ist bei Snegow nicht der Fall.
Ein Punkt, der mich an ihm besonders fasziniert ist, dass er selber Wissenschaftler und Ingenieur war und somit in seinen Romanen einen engen wissenschaftlichen Bezug herstellen kann. Man könnte es auch als wissenschaftliche Utopie bezeichnen. So setzt er sich konsequent mit der Annihilation als Antriebsart für die Raumschiffe auseinander, aber auch mit kritischen gesellschaftlichen Fragen, die in der Sowjetunion in den 50er und 60er Jahren nicht einfach umzusetzen waren.
Heinlein, Asimov, Lem, Clarke,....immer ein Genuss. Man muss aber dazu in der Stimmung sein. Nicht alles liest sich da so nebenbei.
Und ich denke, auch The Invincible wird kein Spiel für jeden werden. Der futuristische Retro-Flair hat mir schon beim ersten Reveal damals gefallen. Aber auch da kam stark das Indie-Genre durch.
Oha, da kommt ja möglicherweise eine kleine Perle auf uns zu. Lem habe ich bisher gern gelesen, der Unbesiegbare war äusserst interessant, auch Solaris hat mir gut gefallen (haltet aber bloss Abstand von der Verfilmung mit Clooney, die ist unglaublich öde).
Der Gameplay-Trailer macht enorm Lust auf mehr und ich hoffe und würde es den Entwicklern wünschen, dass The Invincible gut kommt. Ich behalte das Spiel auf jeden Fall im Blickfeld und vielleicht gibts dann ja auch eine kleine Rezension von dir, Jörg. Vielen Dank fürs Vorstellen.
Ich habe den Gameplay-Trailer nur "überflogen", schau ihn mir heute Abend nochmal richtig an. Ich kann das Genre noch nicht einschätzen. Wird’s ein Aktionspiel? Wird’s ein Erkundungsspiel mit Rätzeleinlagen? Wird’s ein Survivalspiel? Vielleicht irgendetwas dazwischen, bzw. von allem etwas.
Bislang hatte ich noch nichts zu dem Projekt gehört - mein Interesse wurde aber direkt geweckt. Das Artdesign gefällt und Science-Fiction geht immer, wie ich finde. Besonders aus der Ego-Ansicht.
Könnte (für mich) dieses Jahr nur leider etwas mit Starfield anecken. Das hat Vorrang und wird mich wohl Monate beschäftigen. Ich behalte The Invincible aber definitiv auf dem Schirm…
VG