Ich kämpfe mich gerade durch Weird West von Devolver Digital, das überraschend umfangreich und vielseitig ist. Da trifft man als Revolverheldin (und in anderer Gestalt) auf Kannibalen, Werwölfe und Sirenen, auf Blutiges, Magisches und Okkultes. Diese Mischung aus dem Wilden Westen und Horror findet sich schon länger in der Literatur und mittlerweile sogar am Tisch. Ich hab mal ein wenig gestöbert und diese düsteren Relikte geborgen: einen Roman, einen Comic und ein Brettspiel. Falls ihr auch noch Tipps habt - gerne!
Roman: The Hunger: Die Letzte Reise
Mein Lieblingsbuch in diesem Subgenre ist The Hunger: Die Letzte Reise (Heyne, 2018) von Alma Katsu. Hier wird ein sehr stimmungsvolles Panorama aufgebaut, das Fakten und Fiktion, Alltag und Übersinnliches in einer spannenden Geschichte verwebt. Aber kaum will man sich bei einem Bourbon im Schaukelstuhl zurücklehnen, wird es unheimlich. Als Leser begleitet man einen Treck, der im Jahr 1846 von Illinois nach Kalifornien unterwegs ist. Die Autorin lässt sich genug Zeit, um die Figuren sowie ihre Beziehungen aufzubauen, so dass man sich fast schon mittendrin fühlt, als plötzlich ein Junge verschwindet. Der 447 Seiten starke Roman basiert auf den historischen Ereignissen einer Expedition namens "Donner Party" (benannt nach dem Anführer George Donner), die von Katsu um fiktive Charaktere und Ereignisse ergänzt wird - eine kleine Karte vom Kansas River bis in die Sierra Nevada ist übrigens auch dabei. Laut Tagebüchern von Überlebenden der 87 Siedler kam es damals zu Kannibalismus, als man vom Winter überrascht wurde. In Amerika ist die Tragödie sehr bekannt: Es gibt einen gleichnamigen Pass sowie ein Denkmal im Nationalpark.
Wer es direkter Richtung Weird West und etwas actionreicher mag, könnte an Strasse der Toten (Golkonda Verlag, 2013) von Joe R. Lansdale Gefallen finden: Reverend Jebidiah Mercer fackelt nicht lange und jagt die Geschöpfe des Bösen vom Ghul bis zum Werwolf quer durch den Westen. In eine ähnliche Richtung, allerdings sprachlich etwas roher, geht es in Skull Moon (Luzifer, 2016) von Tim Curran, in dem ein Monster aus der indianischen Mythologie sein Unwesen treibt.
Comic: Claire deWitt
Der Wilde Westen hat im Comicbereich eine lange Tradition, nicht nur in Amerika seit den 20er Jahren, sondern auch in Europa - aus dem Frankreich der 60er Jahre stammt z.B. Leutnant Blueberry. Der Horror zeigte sich erst nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen Facetten, angeregt durch Reihen wie Tales from the Crypt. Aber beides traf höchstens in kurzen Geschichten zusammen, bevor sich ein Subgenre entwickelte.
Ich wollte erst American Vampire von Scott Snyder (Swamp Thinhg, Batman), Rafael Albuquerque und - tatsächlich - Stephen King an erster Stelle empfehlen, das mir gut gefallen hat, weil die Vampire hier auf kreative Art wiederbelebt werden - mittlerweile ist Band 1 von Vertigo meines Wissens ausverkauft. Aber ich habe mich für das weniger bekannte Claire deWitt aus dem Splitter-Verlag entschieden. Dieses ebenfalls sehr martialische Abenteuer ist 2016 erschienen und wurde von den Niederländern Willem Ritstier und Fred de Heij über drei Bände konzipiert. Es spielt in der Zeit nach dem Bürgerkrieg (1861-1865) und erzählt die Geschichte der namengebenden Kopfgeldjägerin, die eigentlich nur auf Rache aus ist. Aber auf ihrem Weg dorthin begegnet sie nicht nur gewaltbereiten Desperados, sondern monströsen Alpträumen: hier geht es explizit und blutig zur Sache. Eine Alternative aus dem Genre des Weird West wäre noch Badlands (Splitter, 2015), in dem eine Lady mit magischen Fähigkeiten eine verborgene Welt erkundet.
Brettspiel: Shadows of Brimstone: City of the Ancients
Genug gelesen, jetzt wird gespielt: und zwar am Tisch, üppig inszeniert mit coolen Miniaturen vom Marshall bis zum Tentakel-Monster. Mittlerweile sind Figuren-Brettspiele nichts Besonderes mehr, aber 2014 war Shadows of Brimstone einer der Hingucker auf der SPIEL in Essen. Rein spielmechanisch ist es ein Dungeon-Crawler wie Doom oder Descent, aber das Szenario des Weird West hat damals viele neugierig gemacht.
Bis zu vier Helden erkunden gemeinsam die übersinnlichen Ereignisse rund um eine Minenstadt, in der ein kostbares Mineral namens Dark Stone gefunden wurde. Allerdings geht es nicht nur um Macht und Rohstoffe, sondern auch um Monster und Außerirdisches, das aus den Schächten kriecht. Denn nach einer gewaltigen Explosion haben sich Portale in andere Welten geöffnet - Tentakel und Cthulhuflair inklusive. Also schlüpft man in die Rolle von männlichen oder weiblichen Helden wie Revolverheld, Bandit oder Prediger, um die Dämonen zu bekämpfen. Man folgt dabei einer Kampagne und kann seine Charaktere entwickeln, Zufallsereignisse und wechselnde Karten sorgen für Abwechslung.
Mittlerweile gibt es zig Zusatzpakete und Boxen, so dass man bei der Auswahl vielleicht etwas überfordert wird - ich empfehle die oben erwähnte Basisbox. Etwas später ist eine kompatible Box namens Shadows of Brimstone: Swamps of Death erschienen, die Szenarien hinzufügt sowie auf sechs Spieler erhöht. Es gibt allerdings zwei Wermutstropfen: Man muss die Plastikfiguren hier selbst zusammenkleben und das Spiel ist (meines Wissens) nur auf Englisch erhältlich.
Wer sich für ein echtes Tabletop-System des Weird West interessiert, das Richtung Wargame geht, sollte sich mal Malifaux von Wyrd Games ansehen - das ist nochmal eine ganz andere Qualität hinsichtlich der Miniaturen: Das sind klasse designte Figuren in acht Fraktionen, in denen ebenfalls Colts und Gewehre auf Monster und Magie treffen. Aber nicht nur die Skulpturen sind cool, auch das Kampfsystem, zumal hier nicht riesige Armeen, sondern kleine Gruppen in taktische Gefechte gehen. Man kann also schneller und günstiger loslegen.
Danke für den Buchtipp. 'The Hunger' hat mir ganz gut gefallen.
Genau die richtige Mischung aus Spannung und Horror.
Schwer etwas zu sagen, ohne zu spoilern.
Andersrum, es fühlt sich an, wie ein 'Stephen King' in kompakt.
Bei ihm wären es aber acht 1350er Schinken geworden.
Von mir aus hätte das Buch ruhig noch etwas länger sein können :)
Shadows of Brimstone habe ich zwei mal gespielt und es hat mir richtig gut gefallen: Viiiele Würfel die man oft würfelt (ein bisschen wie bei Shadowrun), Charakterentwicklung, zwischen den (ich nenne es mal) Dungeon-Raids begeht man eine Stadt und wird dort zum (rudimentären) Rollenspiel eingeladen. Das Setting ist natürlich Geschmacksache aber uns hatte es sehr gefallen. Die Version damals war auch auf Englisch - nicht sicher ob es inzwischen eine deutsche gibt.
Ich finde ja Gus von Christophe Blain als Westen-Comic richtig gut.
Was mir hierzu noch einfällt ist das Pen&Paper Rollenspiel Deadlands. Ich selber habe es nie gespielt, aber meine Frau schwärmt heute noch davon.
Besten Dank für den Comic-Tipp. Claire de Witt werde ich mir anschauen. Sieht nach einem vielversprechenden Mix aus Western und Fantasy aus. Vom gleichen Verlag kann ich Bis zum bitteren Ende empfehlen. Auch hier wieder Letzen Endes eine Rachestory, wie so oft, aber spannend erzählt ohne Längen mit guten Charakteren und Kulissen. Darüber hinaus wunderschön gezeichnet, wie ich finde. Auch dass es keine Serie ist, muss kein Nachteil sein.
Am Rande sei von Jeff Lemire noch Berserker Unbound empfohlen. Hat zwar so gar nichts mit Western zu tun, hat mich aber die Tage sehr gut abgeholt. Ein Barbaren Berserker, der über ein Dimensionstor im hier und jetzt landet. Die Story ist zwar nichts Besonderes, dafür zieht die Optik aber daran…